An Don Alvaros Seite im Heiligen Land

Als Bischof Álvaro del Portillo, Prälat des Opus Dei, im März 1994 eine Pilgerfahrt ins Heilige Land unternahm, wusste niemand, dass dies die letzten Tage des 80-Jährigen auf Erden sein sollten. Der Priester Albert Steinvorth, der heute in Wien tätig ist, lebte damals in Israel und begleitete Bischof Álvaro auf den Stationen seiner Reise.

Albert Steinvorth war auch bei der letzten Heiligen Messe anwesend, die Don Alvaro in seinem Leben feierte. Aus Anlass der bevorstehenden Seligsprechung erzählt der aus Costa Rica stammende Studenten­­seel­sorger, wie er Bischof Alvaro erlebte.

Wann sind Sie Don Alvaro zum ersten Mal begegnet?

Das war während meines Theologiestudiums in Rom, vor meiner Priesterweihe 1983. Als ich ihn das erste Mal sah, fiel mir vor allem auf, wie verschieden die Persönlichkeiten von Don Alvaro und dem heiligen Josefmaria Escrivá waren. Don Alvaro hatte ja 40 Jahre lang an der Seite des 1975 verstorbenen Gründers des Opus Dei gelebt und war sein engster Mitarbeiter gewesen. Trotzdem kann man sich kaum unterschiedlichere Menschen vorstellen.

Der heilige Josefmaria hatte einen temperamentvollen, spontanen, geradezu sprühenden Charakter. Don Alvaro wirkte dagegen ruhig, zurückhaltend, ja fast hatte man den Eindruck, dass er von Natur aus ein wenig schüchtern war. Er selbst sprach darüber später mit einer Prise Humor, wenn er erzählte, warum seine Wahl schließlich auf das Studium eines Ingenieurs fiel statt in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, der Rechtsanwalt war: Weil man als Ingenieur nicht so viel in der Öffentlichkeit reden musste!

Gerade deshalb fand ich es so beeindruckend, wie er all die anspruchsvollen Aufgaben an der Spitze des Opus Dei als erster Nachfolger des Gründers wahrnahm, einschließlich der Auftritte vor vielen, teils Tausenden, Menschen. Später fand ich in seiner Biografie den Schlüssel dazu: Er wollte für Gott eben ganz verfügbar sein, völlig unabhängig von seinen persönlichen Vorlieben und seinem Naturell.

Hat Sie schon damals etwas an Don Alvaro besonders beeindruckt?

Bischof Alvaro war ein Mann des Gebetes, ganz auf Gott ausgerichtet. Jenseits aller Organisation und Aktivitäten versuchte er immer, die Seelen im Blick zu behalten, damit sie zu Gott finden. Dazu hielt er auch uns an. Bei einem Beisammensein in Rom während meiner Studentenzeit warnte er uns davor, uns in Aufgaben und Projekte zu verzetteln, die keine unmittelbare apostolische Wirksamkeit haben. Wir sollten nicht unnötig viel Zeit für Dinge aufwenden, die andere vielleicht besser machen konnten. Vielmehr sollte unsere erste Sorge sein, dass die Menschen Gott lieben lernen.

Im März 1994 besuchte Don Alvaro das Heilige Land, wo Sie damals tätig waren, für eine Woche. Gab es Ereignisse während der Reise, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Viele natürlich... Entlang der Via Dolorosa, des Kreuzwegs in Jerusalem, gibt es eine kleine Kapelle der Franziskaner, deren Fenster die Dornenkrönung darstellen. Wir haben dort gebetet, und während dieser Zeit des Gebetes rief Don Alvaro plötzlich aus: "Wie grausam! Das alles hat Er für uns auf sich genommen..." Ich hatte den Eindruck, dass er, so wie es der heilige Josefmaria empfohlen hatte, sich ganz in das Evangelium hineinversetzt hat - und offenbar hat er das dort ganz besonders intensiv erlebt. Man merkte, wie er gepackt war von dieser Szene, sie ging ihm richtig nahe.

Das Thema des Leidens sprach er während seiner Reise auch andere Male an. Bei der Heiligen Messe in der Verkündigungsgrotte in Nazareth gab er uns spontan ein paar Gedanken mit: "Hier sind wir an einem Ort, wo Tiere gehalten wurden, an einem ärmlichen Ort. Gott wollte so tief hinabsteigen. Er lässt es auch zu, dass wir leiden, wir verstehen es nur nicht..." Die Worte hatten auch etwas damit zu tun, dass ein befreundetes Ehepaar anwesend war; der Mann hatte Krebs und wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, war aber sehr gefasst. Don Alvaro hat sich während der Reise viele Gedanken um dieses Ehepaar gemacht. Da konnte man sehen, wie nahe ihm das Leid der anderen Menschen ging, dass er mit ihnen voller Mitleid und gleichzeitig sehr taktvoll umging.

Sie haben mit Don Alvaro die letzte Messe seines Lebens im Abendmahlssaal von Jerusalem gefeiert. Hat Sie etwas daran beeindruckt, wie er die Messe feierte - auch zu anderen Gelegenheiten?

Letzte Hl. Messe von Don Álvaro

Er war ein Priester, der ganz aus der Heiligen Messe gelebt hat… Das war auch im Abendmahlsaal spürbar, in der Art und Weise, wie gesammelt er die Liturgie feierte. Was mir besonders aufgefallen ist: Er war während der Messe ganz bei der Sache, ganz bei Gott, aber dann auch ganz bei den anderen. Das merkte man beim Friedensgruß: In diesem Augenblick war er ganz bei dir - es war nicht nur ein Ritual für ihn, sondern etwas liebevoll, persönlich Gemeintes.

Was nehmen Sie sich mit von Don Alvaro?

Seine Verfügbarkeit für Gott, für die Kirche, für das Opus Dei, jenseits persönlicher Vorlieben. Für ihn gilt, was für jeden Heiligen gilt: Er wollte sich Gott ganz zur Verfügung stellen, damit die Liebe Christi mehr in die Welt hineinstrahlen kann.