Eine neue Sicht auf mein Leben

Mariam, Belgien

Ich wurde im Irak geboren und lebte dort, bis ich zwei Jahre alt war. Dann flohen wir nach Holland. Dort wohnte ich, bis ich 20 war und danach kam ich nach Belgien, wo ich studieren wollte. Ich habe zwei Brüder. Mein Mutter war schon immer katholisch, mein Vater war ursprünglich Moslem, wurde aber 2004 katholisch. Als er getauft wurde, empfingen auch meine Geschwister und ich die Taufe.

Ich erfuhr, was der hl. Josefmaria über das christliche Leben gesagt hat, in dem Studentinnenheim, in dem ich wohne. Eines Tages passierte mir dort etwas, was mich zum Nachdenken brachte. Es war an einem Freitag Nachmittag und ich war auf dem Weg nach Holland, um das Wochenende zu Hause zu verbringen, als ich eines der Mädchen eilig durch das Haus laufen sah. Es war ein viertel nach sechs. Ich fragte sie: „Wo willst du hin? Warum hast du es so eilig?“ Als erstes antwortete sie mir: „Ich suche meinen Mantel.“ „Deinen Mantel? Wo gehst du denn hin?“ Sie sagte: „Ich gehe zur Messe.“ Daraufhin dachte ich: „Zur Messe? Was will sie denn an einem Freitag Nachmittag in der Messe?“ Ich hatte wohl gehört, dass es Leute gibt, die am Sonntag zur Messe gehen, aber niemals hatte ich gehört, dass es solche gibt, die an einem Freitag in die Messe gehen. In meiner Familie gehen wir nur einmal im Jahr zur Messe, und zwar Weihnachten oder Ostern.

Später, als ich im Zug saß, begann ich über das Erlebt nachzudenken. „Warum geht sie an einem Freitag Nachmittag zur Messe? Was will sie da?“ Ich hatte wohl Lust, zur Messe zu gehen, aber ich wusste ehrlich nicht so genau, was ich da sollte. Und mir wurde bewusst, dass ich keine Ahnung hatte, was bei dieser Feier eigentlich ablief.

Als ich am Montag wieder ins Studentinnenheim zurückkam, suchte ich das Mädchen und fragte sie, warum sie zur Messe ging. Daraufhin gab sie mir ein Buch über die hl. Messe. Und in diesem Buch las ich, dass in der hl. Kommunion wirklich Christus zugegen ist. In diesem Augenblick dachte ich: „Also kann man Christus hier auf der Erde wirklich empfangen?“ Das hatte ich nicht gewusst. Und ich sagte zu mir: „ Wenn ich ihn empfangen kann, dann würde ich das sehr gerne tun.“ Ich glaubte an Gott, aber ich wusste nicht so richtig, auf was sich mein Glaube stützte, denn ich hatte keinerlei christliche Bildung.

Kann ich mit dir zur Messe gehen?

Am folgenden Tag suchte ich die Studentin wieder und fragte sie: „Kann ich mit dir zur Messe gehen?“ Sie erklärte mir erst einmal, dass ich, um kommunizieren zu können, zur Beichte gehen müsste. Ich war noch nie beichten gegangen, aber als sie mir das sagte, dachte ich: „Das will ich auf keinen Fall.“ So ging ich also jeden Tag mit ihr zur Messe, aber nicht zur Kommunion.

Eines Tages fragte mich dieses Mädchen, die meine Freundin geworden war: „Was hältst du davon, vor Weihnachten zur Erstkommunion zu gehen?“ „Was? – dachte ich – Christus empfangen? Das ist ja unglaublich!“ Aber dann sagte ich mir: „Du weißt schon: Vorher musst du beichten gehen.“ Die Vorstellung, das Sakrament der Buße zu empfangen gefiel mir weiterhin nicht, aber ich antwortete trotzdem sofort: „Ja, das möchte ich.“ Als ich dann in mein Zimmer kam, kam die Ernüchterung: „Oh je! Ich muss mich auf die Beichte vorbereiten, das gefällt mir aber gar nicht...“

Danach bekam ich Katechismusunterricht über die Eucharistie und das Bußsakrament, und ich entschloss mich, diese beiden Sakramente zu empfangen. Während ich mich vorbereitete, stellte ich es mir sehr schwer vor, alles im Beichtstuhl zu sagen, und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es Christus war, der mir dort zuhörte und nicht der Priester. Das ist sehr menschlich, aber wenn du wirklich glaubst, dass Christus dieses Sakrament eingesetzt hat, dass es also seine Sache ist, dann muss es wahr sein. Es kann nicht anders sein.

Aber als ich es dann geschafft hatte, war es, als hätte ich Flügel bekommen und könnte fliegen. Es ist ein unglaublicher Moment, denn alle deine Sünden – auch wenn das seltsam klingt – wirklich alle deine Sünden sind dir vergeben

Als ich schließlich die Beichte vorbereitet hatte, setzte ich mich jeden Tag in die Kapelle und dachte: „Warum muss ich beichten?“ Aber als ich es dann geschafft hatte, war es, als hätte ich Flügel bekommen und könnte fliegen. Es ist ein unglaublicher Moment, denn alle deine Sünden – auch wenn das seltsam klingt – wirklich alle deine Sünden sind dir vergeben; alles, was du getan hast, alles! ist dir vergeben. Es ist, als ob du ein neues Leben beginnst. Und für mich war das wirklich so: Ich konnte von neuem beginnen, mit meinem Studium, mit meinen Freunden, mit der Beziehung zu meinen Eltern.

Als ich die Erstkommunion schon gemacht hatte, schlug meine Freundin mir vor, dass ich doch die Firmung empfangen könnte. Am 20. Mai, einen Tag vor meinem 21. Geburtstag, wurde ich gefirmt. Das war auch umwerfend. Der Diözesanbischof kam in das Studentinnenheim. In diesem Augenblick wirst du dir bewusst, dass du den Heiligen Geist empfangen hast und als Erwachsener zur katholischen Kirche gehörst. Meine Eltern waren auch gekommen. Am Anfang hatte ich Angst vor ihrer Reaktion, aber sie haben wohl begriffen, dass ich das alles wirklich aus Liebe und für Gott machte, dass ich glaubte.

Heute weiß ich, dass ich viel gelernt habe, seit ich in dieses Studentinnenheim gekommen bin: Ich habe den Glauben kennen gelernt, Christus, die Sakrament, die Freundschaft usw. Die Botschaft des hl. Josefmaria hilft mir weiter in meinem Alltag, in meinem Studium und meiner Beziehung zu den anderen. Er hat gesagt, dass du alles, was du tust, in Gebet verwandeln kannst. Wie er im „Weg“ geschrieben hat: „Jede Stunde Studium ist eine Stunde Gebet.“ (Der Weg, 335) Und die kannst du für deine Familie, für deine Freunde und alle, die es brauchen, aufopfern...

In meinem Kurs bin ich wahrscheinlich die einzige, die über Gott sprechen kann. Oft werde ich gefragt: „Warum bist du immer so froh, egal was passiert?“ Zum Beispiel vor einer Prüfung. „Was ist los mit dir? Wir haben Prüfung! Warum schaust du so zufrieden drein?“ Dann sage ich ihnen, dass man vor solchen Situationen zwei Haltungen einnehmen kann: lachen oder weinen. Ich ziehe es vor zu lachen und abzuwarten, was passiert.

Zu Hause merken meine Eltern, dass ich mich verändert habe. Und das kommt daher, dass ich die Welt mit anderen Augen sehe. Ich versuche, den anderen um mich herum zu helfen, für alle ein offenes Ohr zu haben... ich versuche jedenfalls, es so gut zu machen wie möglich!