Er ist nicht allein!

Klaus Klein-Schmeink (34) ist Priester der Diözese Münster. An der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz zu Rom studiert er zur Zeit Kommunikationswissenschaften. Hier lesen Sie, wie er persönlich die Hl. Messe auf dem Petersplatz anlässlich der Amtseinführung Benedikt XVI. erlebt hat.

Es hat sich gelohnt, so zeitig aufzustehen. Um 4.30 Uhr bin ich mit einer Gruppe Jugendlicher auf den Straßen Roms unterwegs, um frühzeitig den Petersplatz zu erreichen. Und wir haben Glück: Wir stehen direkt am Eingang des Braccio Carolo Magno. Vor uns befindet sich ein großer Bildschirm und auch der Altarraum ist einsehbar. So gut haben es nicht alle, die den Petersplatz und die Via della Conciliazione füllen. Man spricht von 400.000.

Die Liturgie beginnt im Innern der Kathedrale. Als Benedikt XVI. zum ersten Mal auf dem Bildschirm erscheint, brandet Applaus auf. „Der ist ja richtig flott unterwegs!“ sagt ganz spontan eine junge Gläubige, als die Bilder den Papst zeigen, wie er die Treppen zum Petrusgrab nimmt. Mir wird klar, dass der Großteil der Jugendlichen, die Johannes Paul II. so liebten, ihn fast immer krank, gebrechlich, am Stock oder gar im Rollstuhl gesehen haben.

Die Prozession formiert sich. Unsere Blicke pendeln zwischen Bildschirm und Eingang der Peterskirche hin und her. Wo ist der Papst jetzt? Wann wird er aus dem Dom heraustreten? Die Fotoapparate werden in Position gebracht. Jubel bricht los, als Benedikt XVI. ins Freie tritt. „Meine Güte, wirkt der klein vor der Kirche und mit den vielen Menschen.“ sagt mir einer, der einen Blick durch die sich streckende und reckende Menge auf den Papst erhaschen konnte. „Der verschwindet ja fast.“

Daran erinnere ich mich, als ich die Worte der Predigt höre:

„Und nun, in dieser Stunde, muss ich schwacher Diener Gottes diesen unerhörten Auftrag übernehmen, der doch alles menschliche Vermögen überschreitet. Wie sollte ich das? Wie kann ich das? Aber Ihr alle, liebe Freunde, habt nun die ganze Schar der Heiligen stellvertretend durch einige der großen Namen der Geschichte Gottes mit den Menschen herbeigerufen, und so darf auch ich wissen: Ich bin nicht allein. Ich brauche nicht allein zu tragen, was ich wahrhaftig allein nicht tragen könnte. Die Schar der Heiligen Gottes schützt und stützt und trägt mich. Und Euer Gebet, liebe Freunde, Eure Nachsicht, Eure Liebe, Euer Glaube und Euer Hoffen begleitet mich.“

Am Anfang der Messe wirkt Benedikt XVI. fast scheu in seinen Gesten. Als ob es ihm fast peinlich ist, im Mittelpunkt zu stehen. Aber während der Predigt wirkt er sicher und fest. Man sieht ihn lächeln. Er scheint in seinem Element zu sein:

„Ich brauche in dieser Stunde keine Art von Regierungsprogramm vorzulegen (...) Das eigentliche Regierungsprogramm aber ist, nicht meinen Willen zu tun, nicht meine Ideen durchzusetzen, sondern gemeinsam mit der ganzen Kirche auf Wort und Wille des Herrn zu lauschen und mich von ihm führen zu lassen, damit er selbst die Kirche führe in dieser Stunde unserer Geschichte.“

Seine Predigt wird oft vom Applaus unterbrochen. Die Menschen hören wirklich zu. Ihm und denen, die versuchen, die Predigt simultan zu übersetzen. Vor allem in Deutsch.

Nein, er will irgendwie nicht im Mittelpunkt stehen. Deshalb intoniert er mit kräftiger Stimme das Glaubensbekenntnis. So kann er recht schnell die „Benedetto, Benedetto“-Rufe aus der Menge zum Schweigen bringen, die nach der Homilie aufkamen.

Wieder diese Art Schüchternheit, als ihm Vertreter verschiedener Nationalitäten die Gaben für den Altar bringen. Ganz zurückhaltend segnet und berührt er die Menschen. „Che carino!“ – „Wie lieb!“ sagt eine Italienerin neben mir. „Er ist eben kein Johannes Paul, der die Menschen gleich alle in den Arm nimmt.“ meint beim Abendessen ein Mitbruder aus Mexiko zu mir. „Er ist der, der er ist. Das finde ich gut!“

Die Eucharistiefeier hat begonnen. Am Altar scheint er wieder in seinem Element zu sein. Alles vollzieht er ganz souverän. In tiefer Andacht. Er verneigt sich ein wenig und kommt dem Mikrofon sehr nahe. Deshalb werden die Wandlungsworte von den Lautsprechern auch lauter und deutlicher übertragen als alles andere zuvor und danach: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird.“

Es sind vielleicht fünf Meter, die mich von unserem Hl. Vater trennen, als er mit dem offenen Jeep an unserer Gruppe vorbeifährt. Ein kurzer Segen. Dann ist er wieder verschwunden. Das passt zu ihm. Er lässt lieber einen anderen im Mittelpunkt stehen: Christus. Die Menschen um mich herum, vor allem die Jugendlichen sind begeistert von ihm. Keiner klagt, dass er nur so kurz zu sehen war.