Escrivá und Churchill Anhänger Hitlers?

Was Escrivá über Hitler sagte und wie man das Gegenteil für wahr verkauft

Die Behauptung, der selige Opus-Dei-Gründer Josemaría Escrivá habe „Hitler unterstützt“, ist etwa so zutreffend und so begründet wie der Satz „Winston Churchill war ein Hitler-Anhänger“.

Achtzehn Jahre lang habe ich das Leben des seligen Josemaría erforscht, um ein Buch über ihn zu schreiben. Dabei ist mir klar geworden, dass er zu den wenigen im spanischen Klerus gehörte, die deutlich aussprachen, wie verwerflich Hitler und der Nationalsozialismus waren.

In dieser Zeit brachte ihn das in direkten Konflikt mit der Politik des spanischen Diktators Franco und seiner Regierung. Die Deutschen hatten Franco im spanischen Bürgerkrieg unterstützt, und in den folgenden Jahren war die offizielle spanische Propaganda bestrebt, die Verbrechen des NS-Regimes zu verschleiern. So untersagte die spanische Regierung die Veröffentlichung der berühmten Enzyklika „Mit brennender Sorge“, in der Papst Pius XII. den Nationalsozialismus verurteilte.

Der selige Josemaría hielt es für seine Pflicht als Seelsorger, gegen Hitler und seine Ideologie aufzutreten. Weil das Hitlerregime in einigen spanischen Regierungskreisen mit Sympathie betrachtet wurde, wollte er jene nachdrücklich warnen, die die Verirrungen des Nazismus übersahen. Dabei warnte nicht nur im Allgemeinen vor seinem totalitären Charakter, sondern auch vor der Diskriminierung und Verfolgung von Juden, Katholiken und anderen.

Escrivá nannte den Nazismus eine rassistische Irrlehre und bemühte sich intensiv, diese Einschätzung bekannt zu machen und die päpstlichen Verurteilung im privaten Kreis zu verbreiten.

Ein treffendes Beispiel, wie er sich gegen Hitler und den Nationalsozialismus aussprach, bietet sein Zusammentreffen mit einem Mann namens Domingo Diaz-Ambona auf einer Zugfahrt im August 1941.

Die Beiden waren sich zuvor schon einmal begegnet, im September 1937, also während des spanischen Bürgerkrieges. Zu dieser Zeit wurden Priester von den Kommunisten verhaftet und auf der Stelle erschossen. Überhaupt konnte jeder normale Bürger exekutiert werden, weil er zum Beispiel eine fromme Medaille bei sich trug. Ausgerechnet in dieser Zeit wollte nun Diaz-Ambona seine neugeborene Tochter taufen lassen. Sie war einem Madrider Spital zur Welt gekommen, das unter britischer Flagge stand. Ein Freund vermittelte, dass ein Priester – der sich später als Josemaría Escrivá entpuppen sollte – an einem bestimmten Tag für die Taufe ins Spital kommen würde, um das Kind zu taufen. Und nun tat Diaz-Ambona etwas höchst Unvernünftiges und Gefährliches: Im Vertrauen auf den Schutz der britischen Flagge lud er Paten und Freunde zur Tauffeier ein. Im kommunistisch kontrollierten Madrid waren Spione allgegenwärtig. Spezialeinheiten der Miliz waren auf der Jagd nach Priestern. Wenn irgend jemand ganz harmlos von der Taufe herumerzählte und die Miliz Wind davon bekam, hätte sie Josemaría zur verabredeten Zeit ganz leicht vor der Tür des Spitals abfangen können.

Diaz-Ambona erzählt, was tatsächlich geschah: „Der Priester erschien zwei Stunden zu früh um fünf Uhr nachmittags, blieb gerade lang genug für die Taufe und verschwand wieder. Ich versuchte ihn aufzuhalten, aber er antwortete: „Viele Seelen brauchen mich!“ Alles ging so schnell – wir konnten ihn nicht einmal nach seinem Namen fragen. Später haben wir dann gehört, dass es Don Josemaría war. In diesen schwierigen Zeiten war sein Verhalten für uns alle eine Lektion in Klugheit.

Nun zu dem zweiten Treffen 1941 in der Bahn: „Ich reiste mit meiner Frau und dem vier Jahre alten Töchterchen, das Don Josemaría während des Bürgerkrieges getauft hatte“, berichtet Diaz-Ambona. „Don Josemaría sah uns zufällig, erkannte uns und sagte: ‚Dieses Kind habe ich getauft.‘ Wir begrüßten uns, er stellte sich vor, und dann sprachen wir längere Zeit über die allgemeine Lage. ... Ich erwähnte, dass ich gerade aus Deutschland zurückgekehrt war und dort festgestellt hatte, wie ängstlich die Katholiken waren, ihren Glauben zu bekennen. Das hatte zwar einige Zweifel hinsichtlich des Nazismus ausgelöst, doch waren mir wie den meisten Spaniern damals die Greuel der nationalsozialistischen Politik und Philosophie völlig unbekannt. Das lag an der verführerischen Propaganda, die Hitler-Deutschland als jene Macht darstellte, die letztlich den Kommunismus vernichten würde. So war ich damals ziemlich überrascht von Don Josemarías Antwort auf meine Frage nach seiner Meinung. Als Priester hatte er bessere Informationen über die Lage der Kirche und der Katholiken unter der Nazidiktatur. Escrivá sprach sich nachdrücklich gegen das antichristliche Regime in Deutschland aus. Seinen überzeugenden Worten konnte ich deutlich anmerken, dass es ihm vor allem um die Freiheit ging. Dieses Gespräch hat mich nachhaltig beeindruckt. Denn damals gab es in Spanien wenig Leute, die das Naziregime so kategorisch verurteilten und seine antichristlichen Wurzeln so klar aufdeckten. Außerdem fand diese Unterhaltung zu einer Zeit statt, in der die schlimmsten Verbrechen der Nazis noch längst nicht aufgedeckt waren. Später erfuhr ich dann von eben jenem Freund, der die Taufe meiner Tochter vermittelt hatte, dass ich mit dem Gründer des Opus Dei gesprochen hatte.

Ich bin kein Mitglied des Opus Dei, aber ich möchte aus eigenem Wissen klarstellen: Jeder, der in dieser Sache irgend etwas Gegenteiliges über Josemaría Escrivá zu sagen hat, versucht nur, dessen heiligmässiges Leben ins Zwielicht zu bringen.“

Armer Seliger Josemaría. Sein Leben lang wurde er geschmäht und verleumdet. Im Jahr 1928 hatte ihm Gott in einer Vision bedeutet, welche besonderen Aufgaben er für ihn vorgesehen hatte: Escrivá sollte neue Wege zur Heiligkeit in der Welt bahnen, indem er weltweit Männern wie Frauen beibrachte, wie sie in ihrer beruflichen Arbeit und in ihrem täglichen Familienleben zur Heiligkeit gelangen können. Das war sein „Werk Gottes“, auf lateinisch: Opus Dei. Als er sich nun daranmachte, die Leute zu lehren, wie sie nach Heiligkeit streben und Gott in ihr tägliches Leben hineinbringen können, nannte man ihn einen Häretiker oder einen Verrückten. Als ihn jemand 1974 danach fragte, antwortete er: „Scheint es Dir etwa nicht verrückt zu sagen, dass man mitten auf der Straße heilig sein kann und soll? Dass heilig sein kann und soll ein Eisverkäufer mit seinem Wagen? Und die Hausangestellte, die den ganzen Tag in der Küche arbeitet – und der Bankdirektor und der Universitätsprofessor und der Bauer und der Gepäckträger ...? Alle zur Heiligkeit gerufen! Jetzt hat es das letzte Konzil übernommen,“ – das II. Vatikanische Konzil – „aber im Jahre 1928 ging es nicht so leicht in die Köpfe. Deshalb ist es nur logisch, dass man mich für verrückt hielt.

“Es ist interessant, den Quellen der Unterstellungen für Escrivás vermeintliche „Neigung zum Faschismus“ nachzugehen. Sie stammen von einzelnen Leuten, die die Seligsprechung Josemaría Escrivás im Mai 1992 verhindern wollten. Sie produzierten Sensationsgeschichten für die Presse, die dann weltweite Verbreitung fanden. Um ständig am Markt zu bleiben, mussten diese Leute von Story zu Story mit einer neuen Sensation aufwarten. Schließlich machten sie aus dem Mann mit den angedichteten „faschistischen Neigungen“ auch noch einen „Anhänger Hitlers“.

Ansonsten hält es Rom mit seiner jahrhundertelangen Erfahrung und Weisheit für ganz natürlich, dass Angriffe aufkommen, wenn eine Heiligsprechung ansteht. Dass sich einzelne Ex-Mitglieder des Opus Dei gegen die Heiligsprechung des Gründers wenden, gehört irgendwie dazu. Offenbar meinen sie, dadurch werde ihre Entscheidung, das Opus Dei zu verlassen, und ihre neu gewählte Lebensform infrage gestellt.

Übrigens sind alle schlimmen Behauptungen über Escrivá vor der Seligsprechung 1992 durch die zuständige vatikanische Kongregation gründlich geprüft worden und letztlich allesamt nach hinten losgegangen, wie man so sagt: Nicht nur, dass dabei keinerlei Schatten auf Escrivá Persönlichkeit fiel. Seine zutiefst christliche Einstellung und Haltung gegenüber der üblen Nachrede trat sogar noch deutlicher hervor.

Nach 18 Jahren Forschung über sein Leben bin ich überzeugt, dass Josemaría Escrivá ein ganz großer Heiligen der Kirche sein wird.

Catholic Times (National Catholic Weekly), Manchester (England) 21. Oktober 2001 (unter dem Titel „Why Opus-Dei-Founder Is My Hero“, leicht gekürzt)