Im Schatten lichter Geheimnisse

Eine nachpfingstliche Betrachtung zu Fronleichnam von Josef Arquer

Die Psychologie des Mensch gewordenen Gottessohnes entzieht sich uns. Doch kannte der Herr menschliche Regungen nicht nur, sondern erfuhr sie selbst So dürfen wir annehmen, dass er den Jüngern zwischen Ostern und Pfingsten Zeit geben wollte, damit sich in ihren Herzen all das niederlegen konnte, was sie seit seiner Auferstehung erfahren, gehört und erlebt hatten. Der Herr hatte ihnen dazu einen Beistand verheißen: „Der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26).

Jene Lux beatissima - jenes beseligende Licht, um das wir Pfingsten gebetet haben, eröffnet uns den Blick für die Welt jenseits aller Sinneserfahrungen: die Allerheiligste Dreieinigkeit am Sonntag nach Pfingsten und Fronleichnam am Donnerstag danach.

Das Mysterium des inneren Lebens Gottes

Lassen wir drei Kernpunkte der Glaubenslehre zum Mysterium der Allerheiligsten Dreieinigkeit auf uns wirken, wie sie der Katechismus der Katholischen Kirche in Wort bringt (KKK 253-255):

· Die Trinität ist eine. - Wir bekennen nicht drei Götter, sondern einen einzigen Gott in drei Personen: die „wesensgleiche Dreifaltigkeit“ (...) Die göttlichen Personen teilen die einzige Gottheit nicht untereinander, sondern jede von ihnen ist voll und ganz Gott.

· Die drei göttlichen Personen sind real voneinander verschieden. (...) „Vater“, „Sohn“ und „Heiliger Geist“ sind nicht einfach Namen, welche Seinsweisen des göttlichen Wesens bezeichnen, denn sie sind real voneinander verschieden.

· Die göttliche Einheit ist dreieinig. (...) Die drei göttlichen Personen beziehen sich aufeinander. Weil die reale Verschiedenheit der Personen die göttliche Einheit nicht zerteilt, liegt sie einzig in den gegenseitigen Beziehungen.

Das ist „das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens und Lebens (...), das Mysterium des inneren Lebens Gottes, der Urgrund aller anderen Glaubensmysterien und das Licht, das diese erhellt“ (KKK 234).

Das Mysterium bleibt dem unmittelbaren Empfinden durch die Sinne ebenso entzogen wie dem Ringen um Zugang des Verstandes. Eines leuchtet aber ein, das den Suchenden vielleicht eine erste Ahnung des Übernatürlichen eröffnen kann: Der Herr hat uns das Geheimnis nicht offenbaren wollen, damit wir „sachlich informiert“ werden über eine interessante Begebenheit. Er hat den Christgläubigen und allen, die sich Gedanken über den Sinn ihres Lebens machen, eine Realität mitgeteilt, die jeden Fragenden existentiell angeht. Denn sie lässt ahnen, zu welcher Fülle und Klarheit Gott sein Geschöpf berufen hat. Dies will Paulus den Korinthern klar machen: „Wir verkündigen, wie es in der Schrift heißt, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9).

Die Eucharistie: ständige Aktualität des Einmaligen.

Das Geheimnis des einen und dreifaltigen Gottes ist unergründlicher als alle anderen Geheimnisse des Glaubens wie die Menschwerdung Gottes im Schoße Mariens oder die Eucharistie. Denn es bezieht sich unmittelbar auf das Innenleben Gottes, auf das Ziel unseres Wanderns selbst - nicht nur auf die Art und Weise wie wir unseren Weg auf Erden gehen um zum Ziel zu gelangen.

Der Herr wollte das einmalige Geschehen seines Todes und seiner Auferstehung für alle Zeiten Gegenwart werden lassen. Aber echtes Geschehen vergeht, es ist ja an die jeweilige Zeit gebunden. Aus jeder Gegenwart wird im nächsten Augenblick Vergangenheit. Wie konnte er die Dichte des damals Gegenwärtigen für alle Zeiten erhalten?

Die Antwort: Durch die Eucharistie! Jesus feiert am Abend vor seinem Leiden das Abendmahl. Unter der Gestalt dieses wiederholbaren Mahles verbirgt er – es vorausnehmend - das Opfer, das er am nächsten Tag ein für allemal am Kalvarienberg vollzieht. Er bringt sein erlösendes Opfer dar für die Menschen damals, für die Menschen heute: Für alle, für die vielen, pro multis... Und dieses eine, einmalige Opfer wird in der sakramentalen Gestalt der Eucharistie immer wieder … – nicht wiederholt, sondern aktualisiert „donec venias, bis Du kommst in Herrlichkeit“.

Gleichsam spielend überbrückt der Herr Grenzen, die für Menschen unübersteigbar sind. Die Eucharistie aktualisiert durch die Zeiten wirklich und wirksam ein einmaliges Geschehen, weil sie jenseits aller Zeit steht.

In der Sprache der Theologie sagt der Katechismus der katholischen Kirche (KKK 1380): „Weil Christus seiner sichtbaren Gestalt nach die Seinen verließ, wollte er uns seine sakramentale Gegenwart schenken; weil er sich am Kreuz darbrachte, um uns zu retten, wollte er, dass wir das Zeichen des Gedächtnisses der Liebe bei uns haben, mit der er uns ´bis zur Vollendung´ liebte (Joh 13,1), bis zur Hingabe seines Lebens. In seiner eucharistischen Gegenwart bleibt er geheimnisvoll in unserer Mitte als der, welcher uns geliebt und sich für uns hingegeben hat, und er bleibt unter den Zeichen gegenwärtig, die diese Liebe zum Ausdruck bringen und mitteilen."

Eucharistie kosmisch feiern

Am Gründonnerstag, dem Abend der Einsetzung, klingt das liturgische Loblied gedämpft, verhalten. Denn am selben Abend beginnt die Passion des Herrn. Da lag es nahe, nach Wegen zu suchen, die dem Jubel freien Lauf lassen. So entstand im Mittelalter das „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“ – so die liturgische Bezeichnung von Fronleichnam - am Donnerstag der zweiten Wochen nach Pfingsten. Da können Christen mit dem alten Kirchenlied nach Kräften seine Würde preisen, „da kein Lobspruch, keine Zierde seiner Größe gleichen kann“. Im Lateinischen heißt es mit wunderbarem Rhythmus: „Quantum potes, tantum aude: quia maior omni laude, nec laudare sufficis. - Ja, wage zu loben, nach Kräften zu preisen, so viel du vermagst - nie wird es dir gelingen, genug zu danken“.

Die Prozession deutet an, „wie Eucharistie die Welt umspannt und sie verwandelt. Eucharistie gehört nicht bloß in den Kirchenraum und zu einer geschlossenen Gemeinde. Die Welt soll eucharistisch werden (...) Das aber ist Fronleichnam: Eucharistie kosmisch feiern.“ (Josef Ratzinger, Bilder der Hoffnung).

In der Hostie ist der Herr sakramental gegenwärtig. So wird er bei der Fronleichnamsprozession durch die Straßen getragen, von Station zu Station. Jedes Mal eine Kurzandacht und ein Segen mit dem Allerheiligsten. Passanten bekreuzigen sich, oder knien - oder gehen gleichgültig weiter. Die Prozession kommt auch an ahnungslosen Bistrobesuchern und an verschlafenen Fensterguckern vorbei, die den Zug überrascht oder scheinbar gelangweilt betrachten - und kaum etwas ahnen von dem göttlichen Spiel mit den Grenzen der Zeit und der Sehnsucht der Menschen. „Christus geht, in der Hostie verborgen, durch die Straßen und Gassen - wie in seinem Erdenleben - und begegnet allen: denen, die Ihn sehen wollen, und denen, die Ihn nicht suchen. Jesus ist wieder einmal unter den Seinen. Wie stellen wir uns zu diesem Ruf des Meisters? (Hl. Josefmaria Escrivá, Christus begegnen, Nr. 156).