Worte wie wärmende Frühjahrssonne

Wie ich den heiligen Josefmaria schätzen lernte – ein Zeugnis von Christian Schmidt

Gewiss kennen Sie auch diese Momente, wenn Sie der ganz besondere Einfall des Tageslichts in einen Raum, ein vertrauter, aber dennoch nicht alltäglicher Duft oder ein bekanntes, aber seltenes Geräusch an eine Person oder ein Ereignis erinnert. Und Sie dann kurz innehalten, vielleicht die Augen schließen, und dieser besondere und kostbare Moment vor Ihrem geistigen Auge und in Ihrem Herzen kurz von neuem aufstrahlt. Mir geht es so, wenn manchmal die ersten Sonnenstrahlen des Frühjahrs durch das Fenster hinein auf mein Sofa in meinem Wohnzimmer fallen und mich an meine erste persönliche Begegnung – sie war im März 2009 – mit dem heiligen Josefmaria Escriva erinnern. Meine erste persönliche Begegnung deshalb, weil ich oft über ihn, aber nie etwas von ihm gelesen hatte. Nun aber hielt ich„Der Weg“ in Händen, jenes wohl berühmteste Buch des Gründers des Opus Dei, einen „Klassiker“ der geistlichen Literatur.

Schon seit vielen Jahren hatte ich vor, dieses Buch zu lesen, über das ich so viel gehört hatte. Das erste Mal überhaupt hörte ich von Josefmaria Escrivá und damit auch von „Der Weg“ 2002, dem Jahr der Heiligsprechung dieses spanischen Priesters, den der Herr am 2. Oktober 1928 das Opus Dei hatte „sehen“ lassen wie er es ausdrückte. Ich selbst war im September 2001 – aus einer evangelisch-lutherischen Familie stammend – zur römisch-katholischen Kirche konvertiert. Groß war also meine Neugier auf alles, was im Ruf stand, treu im Glauben und fest in der Liebe zur Kirche zu sein. Groß war mein Wunsch ganz authentisch „katholisch“ zu sein. Und groß war immer noch meine Frage, was der Herr von mir will, warum er mich in seine Kirche gerufen hat. Und noch größer war mein Wunsch eine Antwort zu erhalten, was ich für Ihn tun könnte.

Die Zeit mich ausgiebig mit „Der Weg“ zu beschäftigen kam dabei eher unverhofft, auch wenn ich schon lange den Wunsch dazu verspürte mich darüber auch dem Autor zu nähern. Ruhe im Tagesablauf hatte ich genug, nachdem ich unter glücklich unglücklichen Umständen kurzfristig meine Arbeit verloren und nun Zeit genug hatte, mich der Lektüre zu widmen. Die innere Unruhe jedoch blieb, verstärkte sich gar noch. Vielleicht entspricht es in besonderer Weise dem zärtlichen und liebevollen Humor des Heilands, dass ich nun, eben arbeitslos geworden, die Muße hatte, mich dem literarischen Werk jenes großen Heiligen zu widmen, der selbst angetreten war in ganz besonderer Weise die Heiligung der alltäglichen Dinge, besonders aber der beruflichen Arbeit, neu in das Bewusstsein des Gottesvolkes zu streuen.

Nun sprach der heilige Autor also „ganz direkt“ zu mir. Während ich auf dem Sofa im Wohnzimmer saß und die ersten Sonnenstrahlen des Jahres meinen Körper durch das Glas des Fensters wärmten, wärmten seine Worte mein Herz: „Wachse an den Widerständen. Die Gnade des Herrn wird Dir nicht fehlen (…). Du wirst deinen Weg durch die Gebirge bahnen! Was macht es aus, dass Du Deine Tätigkeit im Augenblick beschränken musst, wenn Du nachher wie eine gespannte Stahlfeder ungleich weiter schnellst, als Du je geträumt hast?“ (Der Weg, Punkt 12)

Es war damals, als ob mich ein guter und langjähriger Freund anspräche, der meine Situation kennt, meine Hoffnungen, Ängste und Nöte, besonders meine Fragen. Vor allem aber einer, der ganz aus der Liebe zu eben dem zu mir sprach, der auch mich über alles liebt und beim Namen gerufen hat: Jesus Christus. Und so „tauschten“ wir uns in den nächsten Wochen aus, jener spanischer Priester und ich, und „erzählten“ uns gegenseitig vom Herrn, mit dem er schon so viel länger befreundet war als ich. Unsere gemeinsame Zeit nahm an Intensität in jenen Wochen sehr zu.

Nachdem Sankt Josefmaria und ich also auf dem „Weg“ bereits so viele segensreiche Gespräche „geführt“ hatten, „folgten“ wir schon kurz darauf gemeinsam der „Spur des Sämanns“ – wie eine andere seiner Schriften heißt --, beteten und betrachteten gemeinsam den Rosenkranz und folgten unserem Heiland und Erlöser auf dem Kreuzweg nach. Dies taten wir seitdem regelmäßig. Und da ich mich nun an die Anfänge unserer Freundschaft erinnere und diese Zeilen schreibe, fällt mir gerade ein, dass ich mich recht bald wieder mit ihm dazu verabreden sollte.

Und doch blieben immer noch Fragen offen. Ganz besonders die eine: Was will der Herr von mir? Welche Aufgabe hatte Er mir nach seinem Ratschluss zugedacht? Sehrkonkret auch die Überlegung,ob er mich zum Priestertum ruft. Dabei war mir als religionssoziologisch geschultem Menschen ohnehin klar, dass sich diese Frage Konvertiten besonders eindrücklich und hartnäckig stellt. Nach all den intensiven „Gesprächen“ und mit dem Rat stets zu beten „Domine, ut videam!“ – Herr, lass mich sehen, machte ich mich an der Hand von Sankt Josefmaria erneut auf. Ich wollte „Christus begegnen“ – so der Titel einer weiteren seiner Schriften. Besser müsste ich sagen: Ich wollte Christus nochmals begegnen– so wie im Augenblick meiner Konversion. Und plötzlich war die Antwort direkt vor mir:„Ich träume – und mein Traum ist Wirklichkeit geworden – von unzähligen Kindern Gottes, die ihr Leben als gewöhnliche Menschen heiligen und teilhaben an den Mühen, Hoffnungen und Anstrengungen ihrer Mitmenschen. Ihnen sei diese göttliche Wahrheit zugerufen: Wenn ihr inmitten der Welt bleibt, dann nicht, weil Gott Euch vergessen hätte, nein, Er hat euch aufgefordert, in den irdischen Tätigkeiten und Sorgen zu bleiben, und euch kundgetan, dass eure menschliche Berufung, euer Beruf und eure Fähigkeiten, seinen göttlichen Plänen nicht nur nicht zuwiderlaufen, sondern die geheiligte Opfergabe sind, die Christus dem Vater dargebracht hat“. (Christus begegnen, Punkt 21)

Welche Dankbarkeit, welche tiefe Freude, welche Zuversicht habe ich in jenem Augenblick gespürt. Ja, spüre sie noch heute. Wie oft habe ich immer wieder – bis zum heutigen Tag – „Christus begegnen“ in meine Hände genommen und jene Zeilen gelesen. In jenem Augenblick im März 2009 fühlte ich mich dem Herrn so nahe, sah ihn so klar, spürte seine liebende Gegenwart, wie ich sie einst gespürt hatte und wie sie damit für mich damals authentisch war. Daran erinnere ich mich stets, wenn im Frühjahr die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster auf mein Sofa fallen.

Der heilige Josefmaria und ich sind Freunde geblieben. Im April 2009 hatte ich eine neue und sehr gute Arbeitsstelle angetreten, für die ich dem Herrn noch heute sehr dankbar bin und die ganz seiner göttlichen Handschrift entsprach. Wenige Tage danach „besuchte“ mich Sankt Josefmaria in meinem Büro, in diesem Fall ganz förmlich, ging es doch um hochoffizielle „Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer“. Viele Kollegen und Kolleginnen, die in den folgenden Jahren mein Büro aufsuchten und das Büchlein mit den Interviews des Gründers des Opus Dei auf meinem Tisch sahen, hatten bereits von Msgr. Escrivá gehört. So half und so hilft mir mein Freund Josefmaria immer wieder dabei meinen Blick wie auch den Blick so mancher Menschen in meinem beruflichen Umfeld auf ihn zu lenken: Jesus Christus.