Zur alten und neuen Form der Eucharistiefeier

Zwei Jahre nach der päpstlichen Entscheidung: Msgr. Dr. Peter von Steinitz über die Heilige Messe in der ordentlichen und der außerordentlichen Ritusform

Durch das Motu proprium „Summorum pontificum” vom Jahre 2007 ist nach vielen Jahren der Unsicherheit und bei vielen auch der Frustration eine neue Situation entstanden. Nun kann die Heilige Messe auch ohne Sondererlaubnis in der überkommenen, nun „außerordentlich“ genannten Form gefeiert werden kann. Zwar müssen weiterhin einige Voraussetzungen erfüllt werden, aber Gläubige, die es wollen, können in jeder größeren Stadt eine Heilige Messe in dieser Form finden. 

 

Das Überraschende ist im Ergebnis nicht die neue Bestimmung selbst, sondern ihr psychologischer Effekt. Damit verhält es sich ähnlich wie bei dem sogenannten Dritten Geheimnis von Fatima, über das jahrzehntelang heftig diskutiert und spekuliert wurde. Nachdem aber Kardinal Ratzinger im Jahre 2000 den Text öffentlich gemacht hatte, war gewissermaßen „die Luft raus“ und die Gemüter beruhigten sich.  

 

Ob nach der neuen Form von Paul VI. oder nach der traditionellen Form, die Pius V. im 16. Jahrhundert eingeführt und Johannes XXIII. 1962 mit leichten Veränderungen versehen hatte: Grundsätzlich ist die Heilige Messe dieselbe geblieben. Auch die Liturgie der Ostkirchen ist ja in ihren wesentlichen Elementen mit unserer Heiligen Messe identisch, auch wenn sie manchem als eine ganz andere Art von Feier erscheinen mag. Doch anders als bei der Chrysostomus-Liturgie der Ostkirchen sind bei der Messe Pauls VI. gegenüber der älteren Form nicht nur die wesentlichen Elemente nach wie vor die selben, auch fast alle Formulierungen sind die gleichen geblieben – und nicht etwa nur die Wandlungsworte.  

 

Viele Freunde der außerordentlichen Messform schätzen den „sakraleren“ Eindruck, den ihnen die „alte“ Messe vermittelt, weil dort erkennbar werde, dass Gott die Hauptperson ist, und erst dann der Mensch kommt. In diesem Sinne finden sie oft, dass das Verhältnis zwischen Wortgottesdienst und Eucharistie in der neuen Form zulasten der Eucharistie verschoben ist.  

 

Die Heilige Messe ist Opfer und Mahl zugleich. Bei der Einführung der „neuen“ Messe meinten einige Priester, man müsse den Mahlcharakter der Feier stärker betonen, was überzeugt, wenn es nicht auf Kosten des Opfercharakters geht. Wie bei allen gelegentlich kritisierten Detailpunkten kann auch hier die Gefahr einer „Horizontalisierung“ durchaus vermieden werden, wenn man sich an die Rubriken des Messbuchs hält.  

 

Zumeist feiert der Priester die Heilige Messe in der ordentlichen Form den Gläubigen zugewandt (versus populo). Je nach dem kann dadurch die Aufmerksamkeit mehr auf die Person des Priesters gelenkt werden. Umso wichtiger ist es auch hier, dass er sich persönlich zurücknimmt und so die Messe deutlich auf Gott ausrichtet. Das wird noch unterstrichen, wenn auf dem Altar, also zwischen ihm und dem Volk, ein Standkreuz und Kerzenleuchter stehen, wie man dies etwa bei der Ostermesse 2009 des Heiligen Vaters auf dem Petersplatz sehen konnte.  

 

Nach den Vorgaben des II. Vatikanischen Konzils war die Liturgiereform bestrebt, die Gläubigen stärker am Gottesdienst zu beteiligen (actuosa participatio). Allerdings schauen die Gläubigen auch bei der traditionellen Ritusform durchaus nicht durchgehend „rein passiv“ zu. Besonders bei Sonntagsmessen können sie sich mit Liedern und Gebeten einbringen und die lateinischen Texte im „Schott“ leicht auf Deutsch mitlesen. Außerdem gibt es doch so etwas wie eine Interaktion, einen Dialog, der allerdings nicht mit dem gläubigen Volk stattfindet, sondern zwischen Zelebranten und Messdiener. Ähnlich übrigens bei der orthodoxen Liturgie zwischen Zelebrant und Chor.  

 

Im Folgenden seien einige weitere Merkmale der beiden Zelebrationsformen angesprochen. Dabei wird immer klarer, dass es eher geringfügige Unterschiede zwischen der „alten“ und der „neuen“ Messe gibt. Die Irritationen der Vergangenheit entstanden offensichtlich mehr aus Willkür bei der Handhabung der neuen Bestimmungen über die Messefeier als aus den Bestimmungen selbst.  

 

Nach den Anmerkungen (Rubriken) des neuen Messbuchs sind dem Priester in einigen Details gewisse Freiheiten bzw. zwei oder drei Optionen anheim gestellt, zum Beispiel beim Bußakt. Allerdings sollte der Zelebrant der Versuchung widerstehen, nun alles nach seinem persönlichen Geschmack zu gestalten und wesentliche Worte umzuformulieren. Wenn er sogar Worte des Hochgebets nach eigenem Gutdünken verändert oder auslässt, muss schon von Willkür oder sogar von Ungehorsam gesprochen werden.  

 

Einen „Friedenskuss“ gibt es in der ordentlichen Liturgie nur zwischen dem Zelebranten und gegebenenfalls den assistierende sogenannten Leviten. Oft ist es eine Frage des Stils, wie der Friedensgruß gegeben wird, aber auch an welcher Stelle der Heiligen Messe. Viele kritisieren, dass ein allgemeiner Friedensgruß nach der Wandlung die Würde der Eucharistie stört, und befürworten die anglikanische Lösung, den Friedensgruß im Zusammenhang mit der Gabenbereitung bzw. den Fürbitten auszutauschen.  

 

Ein alter Streitpunkt ist die Einführung der Landessprache in den eucharistischen Gottesdienst. In der Spätantike war Latein die offizielle Amtssprache im Römischen Reich. Außerdem wurden und werden in der Ostkirche außer dem Griechischen auch andere alte Sprachen wie das Altslawische verwendet. Abgesehen von dem altehrwürdigen Charakter des Lateinischen ist sein Gebrauch nicht zwingend. Und sicher ist es von Vorteil, wenn die Gläubigen das Geschehen „verstehen“. Doch sei angemerkt, dass sie auch ohne Lateinkenntnisse schon immer wussten, „worum es geht“. Ansonsten ist die lateinische Sprache nach den Aussagen des II. Vatikanischen Konzils wie auch späteren Verlautbarungen keineswegs „abgeschafft“, sondern soll auch bei der Heiligen Messe in der ordentlichen Form aufrechterhalten und gepflegt werden.  

 

Nach etwa vierzig Jahren des Zelebrierens nach dem Messbuch Pauls VI. hat sich in den meisten Gemeinden auch der Gebrauch der volkstümlichen Lieder im Rahmen der Heiligen Messe eingespielt. In Deutschland, dem Land der Glocken und Orgeln und damit auch der Kirchenmusiker, wird in der Regel auf die passende Auswahl der Lieder geachtet. Als Lied zum Gloria oder zum Sanctus darf nicht irgendein „nettes“ Lied verwendet werden, es muss im Charakter und vor allem im Text wirklich ein Gloria- bzw. Sanctuslied sein.  

 

Gegen die ordentliche Messform wird manchmal eingewandt, dass zu viele Laien am Altar tätig sind. Auch dies wird vermieden, wenn man sich an die einschlägigen Anweisungen hält. Die Konstitution „Dominus Jesus“ erklärt deutlich, dass z.B. Laien als Kommunionhelfer nicht einzusetzen sind, wenn Priester oder Diakone zugegen sind.  

 

Bei der Art des Kommunionempfangs herrscht der Messe in der neuen Form nicht selten eine kaum durchschaubare Willkür. Jedenfalls sollen die Gläubigen die Freiheit haben, die Heilige Kommunion nach ihrem eigenen Willen stehend oder kniend, in die Hand oder in den Mund zu empfangen.  

  

Der berechtigte Wunsch nach einer würdigen und feierlichen Feier der Heiligen Messe kann in der neuen Form von 1968 durchaus erfüllt werden, wenn der Priester und die Gläubigen die Anweisungen des Messbuchs ernst nehmen und sich so innerlich wie äußerlich frei machen vom Wildwuchs einer subjektivistischen Liturgik.