Zwischen Wahn und Wirklichkeit

Gesundheit ist ein Begriff, der sich nicht normieren lässt. Auch Krankheit gehöre zum normalen Leben dazu, erklärte der Kölner Medizinethiker bei einem Vortrag im Studentinnenheim Müngersdorf in Köln. In einem Streifzug durch die Kulturgeschichte der Medizin erhellte er den komplexen Inhalt des Gesundheitsbegriffs.

Prof. Bergdolt im Gespräch der Leiterin des ISM, und Alice Kang, Medizinstudentin

Dieser Titel entspricht der Frage: Was ist Gesundheit? Ist sie wirklich das „höchste Gut“? Prof. DDr. Klaus Bergdolt vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Universität Köln referierte im ISM, dem Internationalen Studentinnenheim Müngersdorf (www.ism-koeln.net). Was man in verschiedenen Epochen der Geschichte unter Gesundheit verstand, wurde verglichen mit dem heutigen Wunsch nach Wohlbefinden, Schmerzfreiheit und Unabhängigkeit, der die Wellness-Gesellschaft unserer westlichen Welt kennzeichnet. Prof. Bergdolt zeigte überzeugend auf, dass Gesundheit nicht gleichzusetzen ist mit Schmerzfreiheit oder Unabhängigkeit. Der ganze Mensch muß in den Blick genommen werden. Schmerz, wie z.B. Kopfschmerzen, Geburtsschmerzen, etc. gehören zum Leben und sind nicht immer Indiz für eine Krankheit, sondern normale Störungen im Wohlbefinden.

Bestimmte Beschwerden gehören zu einzelnen Lebensabschnitten des gesunden Menschen. Das Wissen um die Normalität und eine verinnerlichte Angemessenheit eines Zustands, also subjektive Komponenten, gehören dazu, damit ein Mensch sich gesund fühlt. Jeder Mensch leidet anders. Objektiv ist Gesundheit nicht messbar. Der große mittelalterliche Philosoph Thomas von Aquin, der eng mit der Kölner Universität verbunden ist, sprach von Gesundheit als einer Art Gleichgewicht in der Lebensordnung, die gegeben sein kann, obwohl der Körper nicht in „ordentlicher“ Form ist. Auf jeden Fall ist Gesundheit ein Geschenk, das man verpflichtet ist, wenn möglich zu erhalten. Gesundheit kann eine beglückende Erfahrung sein. Aber auch Krankheit, Leid und andere Grenzsituationen können positive Folgen haben und zu spiritueller Tiefe und geistigem Fortschritt führen. Der Abend gehörte zu den Bausteinen des Semesterprogramms, mit dem das ISM zur umfassenden Bildung seiner Bewohner beitragen möchte.

Von Liselotte Kurka