Erziehung zur Mäßigung und Genügsamkeit (II)

“Wer Herr über sich selbst ist, besitzt wunderbare Voraussetzungen, um sich im Dienst für die Nächsten und für Gott einzusetzen und so das höchste Glück zu erreichen”.

Die Pubertät bietet neue Möglichkeiten für die Erziehung zur Mäßigung, da der Jugendliche schon viel reifer ist, und das erleichtert den Erwerb der Tugenden, die es erforderlich machen, sich Verhaltensgewohnheiten und Beweggründe anzueignen. Auch wenn sich das Kind erst dann gewöhnen kann gute Dinge zu tun, wenn es eine gewisse Reife der Gefühle und des Verstandes erreicht hat, kann es den Sinn seiner eigenen Handlungen tiefer erfassen und deren Folgen abzuschätzen.

Während der Pubertät ist es wichtig, das Warum einiger Verhaltensweisen zu erklären, die von den Jugendlichen vielleicht als Formsachen angesehen werden; oder warum sie in ihrem Verhalten einige Grenzen einhalten sollten, die ihnen vielleicht als reine Verbote vorkommen. Genau genommen müssen wir lernen, glaubwürdige Begründungen für die Sinnhaftigkeit eines maßvollen Verhaltens zu geben. Zum Beispiel wird es in den meisten Fällen die Begründung nicht ausreichen, von der Notwendigkeit der Mäßigung zu sprechen (vor allem auf dem Gebiet der Vergnügungen, und das dem Lernen gegenüberstellt), um eine sichere und erfolgreiche berufliche Zukunft zu erreichen. Auch wenn das eine berechtigte Begründung ist, bezieht sie sich auf eine ferne Zukunft und ist deshalb für viele Jugendliche uninteressant.

Es ist viel wirksamer zu zeigen, wieso die Tugend schon jetzt anstrebenswert ist, indem man ihnen die großen Ideale in ihren Herzen, die Motive, die sie bewegen, ihre großen Leidenschaften vor Augen führt: die Großzügigkeit den Bedürftigen gegenüber, die Treue zu ihren Freunden, usw. Man sollte nie versäumen darauf hinzuweisen, dass gerade der maßvolle und genügsame Mensch den anderen am besten helfen kann. Wer sich selbst beherrscht, besitzt großartige Möglichkeiten, sich im Dienst an Gott und den Menschen hinzugeben und so das höchste Glück und den größten Frieden zu erreichen, die man in dieser Welt erlangen kann.

Die Pubertät stellt die Jugendlichen vor neue Gegebenheiten, in denen sie zurückhaltend und maßvoll sein sollen. Die natürliche Neugier desjenigen, der schrittweise zu lernen begonnen hat, wie man im Leben auftritt und sich in der Welt bewegt, verbindet sich mit einem neuen Bewusstwerden der Herrschaft über die eigene Zukunft. Daher tritt das Verlangen auf, alles auszuprobieren und zu erfahren, was man sehr leicht mit der Freiheit gleichsetzt. Sie wollen sich irgendwie frei von Zwängen fühlen, weshalb Bemerkungen oder Hinweise bezüglich der Zeiteinteilung, der Ordnung, des Studiums und der Ausgaben vielleicht als “ungerechte Verpflichtungen” verstanden werden.

Andererseits wird diese, in der heutigen Gesellschaft allgemein verbreitete, Sichtweise durch zahlreiche Geschäftsinteressen angeregt und verbreitet. Sie versuchen aus diesen jugendlichen Sehnsüchten große Geschäfte zu machen.

Nun ist für die Eltern der Augenblick gekommen, sich von den Umständen nicht überrumpeln zu lassen, positiv zu denken, kreative Lösungen zu suchen, gemeinsam mit den Kindern zu überlegen, sie bei der Suche nach der wahren inneren Freiheit zu begleiten, geduldig zu sein und für sie zu beten.

EIN SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK

In der westlichen Gesellschaft richtet sich die Werbung zum Großteil an die Jugendlichen, deren Kaufkraft in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen hat. Die verschiedenen Marken vertreiben ihre Moden, indem sie Lebensstile vorgeben, die einige annehmen, wohingegen andere sie nicht so gut finden.

Der “Besitz” von Sachen einer bestimmtem Marke gilt in gewisser Weise als gesellschaftliches Zugehörigkeitsmerkmal; man wird in der Gruppe anerkannt, fühlt sich aufgenommen, wenn auch nicht so sehr durch das was man ist, sondern durch das was man hat und sich den anderen präsentiert. Häufig wird der Konsum der Jugendlichen nicht so sehr vom Wunsch bestimmt etwas zu haben (wie bei Kindern), sondern wegen der Möglichkeit die Persönlichkeit auszudrücken oder anhand der Freunde auf ihre Stellung in der Welt hinzuweisen.

Zusammen mit diesen Motiven stiftet die Konsumgesellschaft die Menschen dazu an, sich nicht mit dem zu begnügen, was sie haben, und das neueste Angebot, das auf den Markt gekommen ist, haben zu wollen. Man könnte fast sagen, dass sie den Zwang verspüren, jedes Jahr den Computer oder das Auto zu wechseln, ein neues Handy zu kaufen – oder ein bestimmtes Kleidungsstück, das sie später kaum wieder anziehen werden, aus bloßer Freude am Besitz Musik, Filme, oder die unterschiedlichsten Computerprogramme anzuhäufen. Diese Menschen werden von der Kauf- und Konsumlust getrieben; sie haben die Herrschaft über ihre Begierden verloren.

Natürlich sind nicht nur die Werbung und die Lebensumstände daran schuld. Vielleicht waren die Erzieher nicht streng genug. Daher sollten die Eltern und grundsätzlich jeder, der auf die eine oder andere Weise bei der Erziehung mitwirkt, sich häufig fragen, wie sie diese Tätigkeit verbessern könnten., die von allen Arbeiten die wichtigste ist, weil das Wohl der künftigen Generationen, die Gerechtigkeit und der Friede in der Gesellschaft von ihr abhängen.

Die Eltern sollten sich bewusst sein, dass sich der Lebensstandard und die Ausgaben auf das Familienklima auswirken. Wie überall ist es notwendig gutes Beispiel zu geben, damit die Kinder von klein auf mitbekommen, dass eine der eigenen gesellschaftlichen Stellung angemessene Lebensführung nicht bedeutet, dem Konsumismus oder der Verschwendung zu erliegen. Früher sagte man in einigen Ländern: “Das Brot kommt von Gott, daher wirft man es nicht weg”. Das ist eine anschauliche Weise um verständlich zu machen, dass die Augen nicht größer sein sollen als der Magen, und dass man alles dankbar aufessen soll, was man sich genommen hat, da viele Menschen Not leiden; und außerdem bedeutet es, dass alles, was wir bekommen oder haben – unser tägliches Brot – eine Gabe ist, die wir als solche verwenden und verteilen sollen.

Das Bestreben der Eltern ist verständlich zu vermeiden, dass den Kindern etwas fehlt, was andere haben, oder dafür zu sorgen, dass sie über etwas verfügen können, was sie selbst nicht hatten, als sie klein waren. Aber es nicht selbstverständlich, ihnen alles zu geben. Auf diese Weise fördert man nur das Vergleiche-anstellen, ein schlechtes Nachahmungsbestreben, das, sofern es nicht gemäßigt wird, zu einer schlechten materialistischen Haltung verkommen kann.

In der Gesellschaft, in der wir leben, gibt es eine Fülle von Rangordnungen, Gruppeneinteilungen und Statistiken, die mehr oder weniger zum Wetteifern anstacheln. Gott, unser Herr, stellt keine Vergleiche an. Er sagt uns: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein i. Wir alle sind für Ihn Lieblingskinder; Er achtet, liebt und hat uns auf die gleiche Weise gern. Vermutlich dürfte das einer der Schlüssel der Erziehung zum Glück sein: wir müssen es selber begreifen und den Kindern helfen es zu verstehen, dass es im Haus des Vaters für sie immer einen Platz gibt, dass jeder einfach so geliebt ist, dass Gott seine ungleichen Kinder mit der gleichen Liebe, aber auf ungleiche Art ii behandelt.

Im Übrigen beschränkt sich die Erziehung zur Mäßigung nicht auf ein bloßes Nein-sagen: man muss sie auf eine positive Art beibringen und den Kindern zu verstehen geben, wie man das, was man hat - die Kleidung und das Spielzeug - besser pflegt und verwendet. Man kann sie, dem jeweiligen Alter entsprechend, für etwas verantwortlich machen: das Zimmer in Ordnung halten, auf die kleineren Geschwister aufpassen, Aufgaben des Haushalts übernehmen (das Frühstück herrichten, Brot besorgen, den Tisch decken, den Müll in den Mistkübel werfen ...). Man zeigt ihnen durch das eigene Beispiel, wie sich vorrübergehend auftretende Mängel, ohne sich zu beschweren, mit guter Laune ertragen lassen, und fordert sie zur Großzügigkeit gegenüber Notleidenden auf.

Der heilige Josefmaria erinnerte gerne daran, dass sein Vater immer, auch nach dem erlittenen wirtschaftlichen Bankrott, reichlich Almosen gab. Es sind die alltäglichen Dinge, die ein Familienklima schaffen, in dem man merkt, dass die Personen das wirklich Wichtige sind.

DIE WELT BESITZEN

Du aber sei in allem nüchtern iii: diese kurze an Timotheus gerichtete Aufforderung des heiligen Paulus gilt überall und jederzeit. Es ist keine ausschließlich für einige zu einer besonderen Hingabe Berufene geltende Bedingung, und auch nicht bloß etwas, das die Eltern vorleben müssen, es kann jedoch den Kindern nicht “aufgedrängt” werden. Vielmehr geht es darum, dass Eltern und Erzieher ihren Sinn für jede Altersstufe, für jeden Menschentyp und für jede Situation entdecken und entsprechend anwenden.

Das verlangt klug vorzugehen, indem man die üblichen Mittel einsetzt, um die Dinge zu bedenken, indem man um Rat bittet, usw., damit man richtig entscheiden kann. Und wenn die Mädchen oder die Jungen nicht auf Anhieb die Angemessenheit einer Maßnahme erkennen und aufbegehren, werden sie diese später gut finden und dafür dankbar sein. Deshalb ist es notwendig, geduldig und stark zu sein, denn auf wenigen Gebieten ist es so notwendig, gegen den Strom schwimmen, wie auf diesem.

Deshalb müssen wir uns alle vergegenwärtigen, dass es kein gültiger Anlass ist etwas zu tun, weil es allgemein üblich ist: Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist iv.

Aus dem gleichen Grund ist es angebracht maßvoll zu sein bei dem, was man den Kindern gibt. So lernen sie genügsam zu sein, wenn sie mit dem, was sie haben, sorgsam umgehen. Konkret in Bezug auf das Geld riet der heilige Josefmaria den Eltern: Eine übertriebene Liebe führt dazu, dass ihr sie ziemlich verwöhnt. Wenn nicht der Vater, dann die Mutter. Und wenn nicht sie, dann die Großmutter. Und manchmal alle drei, unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Und mit den drei Geheimnissen kann das Kind seine Seele verlieren. Stimmt euch gegenseitig ab. Seid zu den Kindern nicht knausrig, aber nehmt Rücksicht auf das Auffassungsvermögen eines jeden, auf ihre Besonnenheit, auf ihre Fähigkeit sich selbst zu beherrschen: und sie sollen nie im Übermaß leben, bis sie ihr Geld selbst verdienen v. Man muss ihnen beibringen, wie man mit Geld umgeht, wie man günstig einkauft, wie man Geräte - wie das Telefon - richtig benützt, deren Rechnung erst am Monatsende zu bezahlen ist, wie man feststellt, wann man Geld aus bloßer Lust am Geldausgeben verschwendet ...

Allerdings ist das Geld nur ein Thema der Frage. Etwas Ähnliches gilt für die Ausnützung der Zeit. Ein maßvoller Gebrauch der Zeiten, die für die Ausübung der Hobbys oder des Sports gewidmet werden, gehört ebenso zu einem genügsamen Leben. Das Maßhalten in diesem Bereich ermöglicht es das Herz für Dinge frei zu halten, die uns helfen aus uns herauszugehen und uns durch die Pflege des Familienlebens und der Freundschaften zu bereichern. Zum Beispiel ist das Lernen oder die für die besonders Bedürftigen aufgewendete Zeit und das Geld etwas, das in den Kindern schon von klein auf gefördert werden sollte.

DIE NEUGIER DÄMPFEN, DAS SCHAMGEFÜHL FÖRDERN

Durch solches Maßhalten wird die Seele nüchtern, bescheiden und verständnisvoll; leicht und wie selbstverständlich neigt sie zu einer Zurückhaltung, die anziehend ist, weil sie die Herrschaft des Verstandes spüren lässt vi. Mit diesen Worten fasst der heilige Josefmaria die Früchte der Mäßigung zusammen und bringt sie mit einer ganz besonderen Tugend in Verbindung: mit der Zurückhaltung, die man auch als eine Ausdrucksweise der Schamhaftigkeit und des Anstands verstehen könnte.

“Anstand” und “Schamhaftigkeit” sind Teilbereiche der Tugend des Maßes vii, weil ein anderes Betätigungsfeld dieser Tugend gerade die Mäßigung des Sexualtriebes ist. «Die Schamhaftigkeit schützt das Geheimnis der Personen und ihrer Liebe. Sie lädt zu Geduld und Mäßigung in der Liebesbeziehung ein; sie verlangt, dass die Bedingungen der endgültigen Bindung und wechselseitigen Hingabe von Mann und Frau erfüllt seien. Zur Schamhaftigkeit gehört auch Bescheidenheit. Sie beeinflusst die Wahl der Kleidung. Wo sie die Gefahr einer ungesunden Neugier vermutet, gebietet sie Schweigen und Zurückhaltung. Sie wahrt Diskretion» viii.

Wenn ein Jugendlicher schon im Kindesalter begonnen hat seinen Willen zu bilden, wird er zweifellos im gegebenen Augenblick diese natürliche Zurückhaltung besitzen, die es ihm erleichtert, die Sexualität auf eine wirklich menschliche Weise einzuordnen. Es ist aber sehr wichtig, dass der Vater mit den Söhnen und die Mutter mit den Töchtern eine Vertrauensbasis geschaffen haben, um ihnen die Schönheit der menschlichen Liebe zu erklären, sobald sie das verstehen können.

Der heilige Josefmaria gab folgenden Rat: Der Vater muss der Freund seiner Söhne werden. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich diesbezüglich anzustrengen, denn es kommt ein Augenblick, wo die Kinder voll Neugier beginnen – einerseits verständlich, andererseits folgenschwer – nach den Quellen des Lebens zu fragen, wenn der Vater nicht mit ihnen gesprochen hat. Sie fragen sonst einen unverschämten Freund, und schauen dann mit Abscheu auf ihre Eltern.

Wenn du ihnen hingegen – weil du schon von klein darauf geachtet hast und siehst, dass der Augenblick gekommen ist – den Ursprung des Lebens gut erklärst, nachdem du dich an den Herrn gewendet hast, dann wird das Kind seine Mutter umarmen, weil sie so gut gewesen ist, und dir wird es ein herzliches Busserl geben und sagen: Wie gut ist Gott! Er hat sich meiner Eltern bedient und sie an seiner Schöpfermacht teilhaben lassen. Das Kind wird es nicht so sagen, weil es das nicht kann; aber es wird das so empfinden. Es wird eure Liebe nicht für etwas Unanständiges halten, sondern für etwas Heiliges ix. Das wird leichter sein, wenn wir den Fragen nicht ausweichen, die von den Kindern ganz natürlich gestellt werden, und ihnen entsprechend ihrem Auffassungsvermögen antworten.

Auch hier ist das Beispiel besonders wichtig, wie bereits erwähnt, als wir von der Erziehung zur Mäßigung bei den Mahlzeiten sprachen. Erklärungen reichen nicht aus; man muss mit dem eigenen Verhalten zeigen, dass «man nicht anschauen (soll), was man nicht begehren darf» x, und darauf achten, dass Zuhause alles jene Stimmung ausstrahlt, die im Haus von Nazaret geherrscht hat.

In diesem Sinn ist es notwendig, wegen der Verzerrung der Sexualität in vielen heutigen Gesellschaften auf die Medien wie das Fernsehen, das Internet, die Bücher oder Videospiele Acht zu geben. Es geht dabei nicht darum, eine Art “wachsame Furcht” vor diesen Dingen zu fördern, sondern sie als Mittel für die Erziehung zu nützen und zu zeigen, wie man sie mit einer positiven und wachsamen Einstellung verwendet, ohne Angst zu haben das zurückzuweisen, was der Seele schadet oder ein verzerrtes Bild vom Menschen vermittelt. Dabei ist die offenkundige Tatsache zu berücksichtigen: Die Kinder sind vom ersten Augenblick an unerbittliche Zeugen des Lebens ihrer Eltern. Ihr bemerkt das vielleicht nicht, aber sie beurteilen alles, und gelegentlich beurteilen sie euch schlecht. Das heißt Dinge, die zu Hause geschehen, beeinflussen eure Kinder zum Guten oder zum Schlechten xi.

Wenn die Kinder sehen, dass ihre Eltern den Fernsehkanal wechseln, sobald eine anstößige Nachricht, eine geschmacklose Werbung oder eine unpassende Filmszene auftaucht; wenn sie mitbekommen, dass man sich über die sittlichen Inhalte eines Schauspiels oder der Bücher informiert, bevor man sie anschaut oder liest, vermittelt man ihnen den Wert der Reinheit. Wenn sie bemerken, dass ihre Eltern oder Erzieher unterwegs auf der Straße auf bestimmte Werbungen nicht achten oder ihnen sogar beibringen, sie nicht neugierig anzuschauen und Sühne zu leisten, dann begreifen die Kinder, dass die Reinheit des Herzens etwas Erstrebenswertes ist, auf das man aufpassen muss, und dass das irgendwie zur Familienatmosphäre gehört, in der sie leben. «Kinder und Jugendliche zur Schamhaftigkeit erziehen heißt Achtung vor der menschlichen Person zu wecken» xii.

Auf die Familienatmosphäre Acht zu geben ist aber, genau genommen, noch keine Erziehung zur Mäßigung. Es ist eine unerlässliche Bedingung, um christlich zu leben. Die Tugend erlernt man aber nicht allein durch das “Vermeiden des Bösen” – was untrennbar zum Gnadenleben im Allgemeinen gehört –, sondern durch das Mäßigen der Begierden, die an und für sich gut sind. Daher ist es umso wichtiger zu lehren, wie man die Dinge und Geräte verwendet, die einem zur Verfügung stehen, auch wenn sie an sich sehr gut sind.

Es ist offensichtlich, dass ein ungezügeltes Anschauen von Fernsehprogrammen, auch wenn es in der Familie geschieht, schließlich zur Auflösung der Familienatmosphäre führt. Noch schlimmer wäre es, wenn jeder in seinem Zimmer einen eigenen Fernsehapparat hat und sich dort “einsperrt”, um seine Lieblingsprogramme anzuschauen. Das gleiche gilt auch für die übermäßige (bisweilen zwanghafte) Verwendung der Mobiltelefone und PCs.

Wie überall im Leben bringt ein maßvoller Gebrauch dieser Geräte von den Eltern und Erziehern die Kinder am besten dazu es ebenfalls zu tun. Im Fall der Eltern kommt erschwerend hinzu, dass sie letztlich nicht nur ein schlechtes Beispiel geben, wenn sie stundenlang vor dem Fernseher sitzen, um “zu schauen, was los ist“, sondern es würde auch einen Mangel an Aufmerksamkeit für die Kinder mit sich bringen, die sehen wie sich die Eltern für fremde Leute mehr interessieren als für sie; zumindest hätten sie diesen Eindruck.

Wenn die Mäßigkeit Herrschaft ist, sollte man daran denken: Es gibt keine schönere Herrschaft als die des Dienens: in Freiheit ein Diener aller sein. - Auf diese und keine andere Weise werden die wahren Ehren errungen: auf Erden und im Himmel xiii.

Die Mäßigung eröffnet die Möglichkeit, das Herz und die persönlichen Fähigkeiten in den Dienst des Nächsten zu stellen und zu lieben. Das ist der einzige Schlüssel zum wirklichen Glück. Der heilige Augustinus, der gegen die Unmäßigkeit sehr anzukämpfen hatte, erklärt das so: «Wir wollen daher zuerst die Mäßigung ansehen, die uns eine gewisse Unversehrtheit und Unverbrüchlichkeit in jener Liebe verspricht, mit der wir Gott verbunden sind. Ihre Aufgabe nämlich besteht im Zähmen und Beschwichtigen der Begierden, mit denen wir gierig danach trachten, was uns von den Gesetzen Gottes und der Frucht seiner Güte entfernt, Das ist, um es kurz zu erklären, das glückselige Leben. Dort nämlich ist der Glaube und das Wahre; wenn wir dessen Betrachtung vollständig genießen und ihm gänzlich anhängen, sind wir ohne Zweifel glücklich; wenn wir aber von dort abfallen, werden wir in große Irrtümer und Schmerzen verwickelt» xiv.

J. De la Vega, J.M. Martín

i Lk, 15, 31.

ii Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns , Nr. 601.

iii 2 Tim 4, 5.

iv Röm 12, 2.

v Hl. Josefmaria, Beisammensein im IESE (Barcelona), 27.11.1972.

vi Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 84.

vii Vgl. Katechismus der katholischen Kirche , Nr. 2521.

viii Katechismus der katholischen Kirche , Nr. 2522.

ix Hl Josefmairia, Beisammensein im Colegio Enxomil (Oporto), 31.10.1972.

x Hl. Gregor der Große, Moralia, 21.

xi Hl. Josefmaria, Beisammensein in Pozoalbero (Jerez de la Frontera), 12.11.1972.

xii Katechismus der katholischen Kirche , Nr. 2524.

xiii Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede , Nr. 1045.

xiv Hl. Augustinus, Die Sitten der katholischen Kirche , Kap. 19.