Betrachtungstext: 13. Woche im Jahreskreis – Dienstag

Die Angst der Apostel im Boot – Die Stürme, die uns wachsen lassen – Die Zuflucht zum Kreuz

ER STIEG in das Boot und seine Jünger folgten ihm nach. Und siehe, es erhob sich auf dem See ein gewaltiger Sturm, sodass das Boot von den Wellen überflutet wurde. Jesus aber schlief (Mt 8,23-24). Die Apostel hatten sich in der Gesellschaft Jesu bis zu diesem Moment stets sicher gefühlt; seit er sie zur Nachfolge berufen hatte, hatten sie seinem Wort und seiner Macht immer mehr vertraut. Sie wurden Zeugen von Wunderheilungen, Dämonenaustreibungen und Lehren, die ihre Herzen mit einem Frieden erfüllten, der sich von dem der Welt gänzlich unterschied. Vielleicht kam ihnen sogar der Gedanke, dass die Nähe zu Christus sie vor vielen alltäglichen Problemen bewahren würde.

Die prekäre Lage des Bootes im tobenden Sturm traf sie unvorbereitet. Die meisten von ihnen waren daran gewöhnt, Unwettern und tosenden Wellen zu trotzen. Einige waren Fischer und fühlten sich in der Bewegung des Wassers genauso wohl wie auf festem Boden. Sie wussten dennoch längst, dass ihre Arbeit nicht frei war von tödlicher Gefahr, die in Stürmen lauerte. Doch dieses Mal erreichte die Angst eine neue Dimension. Was sie besonders verstörte, war, dass Jesus schlief, während das Wasser in das Boot drang und es zu versenken drohte. Ihr bester Freund, der andere Male seine Macht über die Natur und sein grenzenloses Mitgefühl unter Beweis gestellt hatte, schien ihrer Notlage gegenüber gleichgültig zu sein.

Papst Franziskus kommentierte: „Leicht finden wir uns selbst in dieser Geschichte wieder. Schwieriger ist es, das Verhalten Jesu zu verstehen. Während die Jünger natürlich alarmiert und verzweifelt sind, befindet er sich am Heck, in dem Teil des Bootes, der zuerst untergeht. Und was macht er? Trotz aller Aufregung schläft er friedlich, ganz im Vertrauen auf den Vater.“1 In jeder Lebensgeschichte gibt es Stürme. Früher oder später erlebt jedes Lebensboot Momente vermehrter Bewegung und Unsicherheit. Aber gerade diese Situationen, die sich unserer Kontrolle entziehen, können ein Weg sein, der uns zu einem tieferen Glauben führt, zum Vertrauen eines Kindes Gottes, in Nachahmung des Vertrauens Jesu in seinen Vater, unseren himmlischen Vater, der uns nie gleichgültig gegenübersteht.


HERR, RETTE UNS, wir gehen zugrunde! (Mt 8,25). Ängstlich und verwirrt durch das Verhalten Jesu, treten die Apostel an ihn heran, um ihn zu wecken und um Hilfe zu bitten. In Wahrheit beweist ihre Reaktion tiefes Vertrauen: Sie wissen, dass er ihre Lage ändern kann, so dass inmitten des Sturms die Sonne wieder scheint. Es ist für sie selbstverständlich, dass sie in der schwierigen Situation als erstes zu Jesus eilen. Die Apostel lehren uns erneut, dass wir in jedem Moment des Tages auf die Hilfe des Herrn zählen können.

Allerdings dürfte sie die Antwort des Meisters fast noch mehr überrascht haben als sein Schlaf. Anstatt sie zu trösten oder dem Sturm augenblicklich Einhalt zu gebieten, wendet er sich mit vorwurfsvollen Worten an sie: Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen (Mt 8,26). Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Jesus die Lage der Jünger nicht richtig einschätzt: Ihre Angst war eine natürliche Reaktion auf eine lebensbedrohliche Situation. Doch offensichtlich wollte der Herr sie dieses Mal in eine tiefere, übernatürliche Wahrheit einführen: Beim Vertrauen in ihn ging es nicht darum, ein Gefühl der persönlichen Sicherheit zu erlangen, sondern eine Offenheit für den Willen des Vaters, selbst wenn dieser manchmal schwer verständlich erscheint.

Msgr Fernando Ocáriz schreibt in diesem Sinne: „Hinter all den großen Fragen möchte Gott uns einen Ausblick eröffnen auf Größe und Schönheit, die sich unseren Augen bislang vielleicht entzogen haben.“2 Gerade in stürmischen Zeiten, wenn in unserem alltäglichen Leben Ereignisse eintreten, die für uns schwer begreifbar sind, lädt uns Jesus ein, weiterhin auf ihn zu vertrauen. Wenn er in unserem Boot ist, werden wir, selbst wenn er zu schlafen scheint, sicher das Ufer erreichen. Bitten wir Gott um die Gnade, schwierige Momente in eine Schule des Glaubens zu verwandeln, sodass wir klarer erkennen, dass Gott allein unsere Sicherheit ist.


DANN STAND ER auf, drohte den Winden und dem See und es trat völlige Stille ein (Mt 8,26). Die Gegenwart Jesu in unserem Leben ist die beste Gewähr dafür, dass wir die ersehnte innere Ruhe wiedererlangen können. Wie die Apostel werden wir in unserem Gebet viele Gelegenheiten haben, über die Macht des Herrn in unserem Leben zu staunen: Was für einer ist dieser, dass ihm sogar die Winde und der See gehorchen? (Mk 8,27). Doch wir sollten den Frieden und die Freude des Christen nicht mit Bequemlichkeit oder einer Art Gleichgültigkeit gegenüber unseren eigenen Problemen oder den Problemen anderer verwechseln. Der Friede Christi ist eine kostbare Frucht des Kreuzes: Er ist der Ausdruck einer Liebe, die sich der Angst vor dem Tod und dem Schmerz gestellt hat. Jesus selbst hat einen schrecklichen Sturm durchgemacht und uns so gezeigt, dass die Herrlichkeit des Vaters alle Dunkelheit vertreibt.

Papst Franziskus ruft uns zu, im Sturm nicht zu verzagen: „Wir haben einen Anker: Durch sein Kreuz sind wir gerettet. Wir haben ein Ruder: Durch sein Kreuz wurden wir freigekauft. Wir haben Hoffnung: Durch sein Kreuz sind wir geheilt und umarmt worden, damit nichts und niemand uns von seiner erlösenden Liebe trennen kann.3 Wenn wir das Gefühl haben, dass die Wogen in unserem Innern oder in der Welt unser Boot zu versenken drohen, können wir an das Kreuz Jesu denken, den Herrn dort betrachten und Zuflucht bei ihm suchen. Wenn wir bedenken, dass Christus sein Leben für uns hingibt, erkennen wir, dass er nicht wirklich schläft, sondern an ein Holz genagelt ist und die Menschen, die sich im Sturm befinden, mit seinem Leiden und seiner Liebe tröstet.

„Unsere Liebe Frau ist die Königin des Friedens“, schrieb der heilige Josefmaria. „Mit diesem Namen preist die Kirche sie. Ist deine Seele aufgewühlt, droht Kummer in Familie oder Beruf, kündigt sich Unheil an in der Gesellschaft oder unter den Völkern, dann bete zu ihr: Regina pacis, ora pro nobis! Königin des Friedens, bitte für uns! Hast du das – zumindest in Zeiten innerer Unruhe – schon versucht? ... Du wirst staunend ihre sofortige Hilfe erfahren.“4


1 Papst Franziskus, Besondere Andacht in der Zeit der Epidemie, 27.3.2020.

2 Fernando Ocáriz, Im Licht des Evangeliums , Fragen der Jugend, S. 127-128.

3 Papst Franziskus, Besondere Andacht in der Zeit der Epidemie, 27.3.2020.

4 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 874.