Betrachtungstext: 2. Osterwoche – Samstag

Der Dienst an den anderen in der jungen Kirche – Dankbare und barmherzige Seelen sein – Der Herr ist immer mit uns im Boot

IN DIESEN Tagen, als die Zahl der Jünger zunahm, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden (Apg 6,1). Schon in den Urzeiten des Christentums erlebte die Kirche Spannungsmomente, wie dieser Abschnitt zeigt. Die Kirche, die sich auf den unablässigen Beistand des Heiligen Geistes stützt, besteht aus Menschen wie wir, die zwar von den besten Absichten beseelt sind, jedoch zugleich die Grenzen ihrer Verfasstheit und die Wunde der Sünde kennen.

Petrus und die anderen Apostel hatten die Aufgabe, das aufgetretene Problem zu erkennen und eine Lösung vorzuschlagen. Diese bestand darin, sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit (Apg 6,3) zu ernennen, die sich diesem Dienst der Nächstenliebe widmen sollten. Es ist interessant festzustellen, dass die Kirche ihr Augenmerk von Anfang an auf die Bedürftigsten richtete; und dass die Apostel, als es darum ging, einige Christen mit der materiellen Organisation dieser karitativen Arbeit zu betrauen, vor allem darauf Wert legten, dass es Personen sein sollten, die dem Heiligen Geist gefügig und mit Weisheit ausgestattet waren. Das innere Leben, die persönlichen Tugenden, die Liebe zur geoffenbarten Wahrheit und der Einsatz für andere wurden als eng miteinander verbundene Aspekte gesehen, um die Sendung der Kirche voranzubringen.

Jeder Christ ist damals wie heute dazu aufgerufen, auf Jesus Christus zu schauen, Christi Leben zu leben und das heiligende Wirken des Göttlichen Beistands zu erleichtern. Daraus folgt die Selbsthingabe an andere, die unterschiedlich Gestalt annehmen mag. Wie der heilige Josefmaria schrieb, kann man sie im Grunde für alle „in einem einzigen Wort zusammenfassen: Lieben. Lieben heißt, ein großes Herz haben, die Sorgen unserer Mitmenschen teilen, verzeihen und verstehen können: sich mit Jesus Christus für alle Seelen aufopfern. Wenn wir mit dem Herzen Christi lieben, werden wir dienen lernen.“1


DAS WORT Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger in Jerusalem wurde immer größer (Apg 6,7). Der Antwortpsalm der heutigen Messe erinnert an die Freude der ersten Christen in Jerusalem: Preist den Herrn auf der Leier, auf der zehnsaitigen Harfe spielt ihm! Denn das Wort des Herrn ist redlich, all sein Tun ist verlässlich. Er liebt Gerechtigkeit und Recht, erfüllt von der Huld des Herrn ist die Erde (Ps 33,2.4-5). Es ist ein Loblied auf den Herrn, der die Erde erschaffen hat und sie in ihrem Sein erhält; der vom Himmel auf die Kinder Adams herabblickt und jeden Winkel ihrer Herzen kennt; der unaufhörlich mit einem Blick der Zärtlichkeit, der Nähe und des Heils auf die Menschen schaut.

Mit ihrer Einladung, diesen Psalm zu betrachten, möchte die Kirche in uns einen dankbaren und barmherzigen Geist nach dem Vorbild des Vaters erwecken. Diese Haltung entsteht, wenn wir die Hilfen des Himmels wahrnehmen, und sie vertieft sich, wenn wir verstehen, dass der Herr uns den Glauben und die Liebe eingepflanzt hat, um seine Güte in unserem Umfeld auszuteilen, unter Nutzung der Wechselfälle unseres Lebens. Wir können uns in Frauen und Männer verwandeln, die die Welt mehr und mehr mit den Augen Gottes sehen und die daher in erster Linie das Gute, das Seelenheil und das Edle hochschätzen, auch in den anderen. „Im Katechismus heißt es: ,Jedes Ereignis und jedes Bedürfnis können Opfer des Dankes werden‘ (Nr. 2638). Das Dankgebet“, erklärt Papst Franziskus, „beginnt immer hier: bei der Erkenntnis, dass die Gnade uns vorausgeht. Wir wurden erdacht, bevor wir gelernt haben zu denken; wir wurden geliebt, bevor wir gelernt haben zu lieben; wir wurden gewünscht, bevor in unserem Herzen ein Wunsch aufgekeimt ist. Wenn wir das Leben so betrachten, dann wird das ,Danke‘ zum Leitmotiv unserer Tage.“2

„Gewöhne dich daran“, rät der heilige Josefmaria, „dein Herz viele Male während des Tages in Dankbarkeit zu Gott zu erheben. Weil er dir dies und jenes gibt. Weil man dich verachtet hat. Weil du das Notwendige hast, oder weil du es nicht hast. Weil er seine Mutter, die auch deine Mutter ist, so schön gemacht hat. Weil er die Sonne geschaffen und den Mond und dieses Tier und jene Pflanze. Weil er jenen Menschen so beredt geschaffen hat und dich so schwerfällig im Wort ... Sage ihm Dank für alles, denn alles ist gut.“3


DER HEILIGE JOHANNES erzählt uns kurz und schlicht, was nach der ersten Vermehrung der Brote und Fische geschah. Am Abend desselben Tages stiegen die Jünger in das Boot, um über den See nach Kafarnaum zurückzurudern. Jesus ging nicht mit ihnen, sondern blieb betend auf einem Berg zurück. Da wurde der See durch einen heftigen Sturm aufgewühlt. Als sie etwa fünfundzwanzig oder dreißig Stadien gefahren waren, sahen sie, wie Jesus über den See kam und sich dem Boot näherte; und sie fürchteten sich. Er aber rief ihnen zu: Ich bin es; fürchtet euch nicht! (Joh 6,18-20)

Wahrscheinlich brauchten die Jünger mehrere Stunden, um gegen Wind und Flut die fast fünf Kilometer zurückzulegen, die sie von Kafarnaum trennten. Viele haben in diesem Boot, das bei jedem Wellenschlag knarrte, eine Figur der Kirche gesehen, die sich den Risiken und Schwierigkeiten im Meer der Geschichte entgegenstellt. Es ist auch auf unser eigenes Leben anwendbar: Oft mangelt es nicht an Schwierigkeiten, Mühen und Plagen. Und wie die Apostel können auch wir uns als Menschen von schwachem Glauben erweisen, die von Ängsten, Unsicherheiten oder Sorgen überwältigt werden.

„Ich bin es; fürchtet euch nicht!“ Der Herr ist immer bei uns, er schaut auf uns und begleitet uns. Deshalb, so sagte der heilige Josefmaria, „haben wir nur Motive, um zu danken. Nichts darf uns Angst machen; nichts darf uns Sorgen bereiten; um nichts in der Welt dürfen wir die Ruhe verlieren.“4 Manchmal werden wir etwas Zeit brauchen, damit dieses Vertrauen in den Herrn wächst, das unser Leben mit Dankbarkeit erfüllt. Manchmal wird es nötig sein, dass wir unsere persönliche Geschichte im Lichte der bedingungslosen Liebe deuten, die Gott zu uns hat. Jesus zeigte sich über das Wasser gehend, um den noch schwachen Glauben seiner Jünger zu stärken. Wir können diese Weile des Gebetes nützen, indem wir ihn bitten, er möge unser Vertrauen in ihn stärken – vermehre unseren Glauben! –, damit wir seine Gegenwart in unserer persönlichen Geschichte und in allen Lebenslagen zu erkennen wissen.


1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 158.

2 Franziskus, Audienz, 30.12.2020.

3 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 268.

4 Hl. Josefmaria, Im Zwiegespräch mit dem Herrn, Vollendet in der Einheit, Nr. 2c.