Betrachtungstext: 24. Woche im Jahreskreis – Sonntag (A)

Gott legt unsere Schuld in der Beichte bei – Verzeihen, ein befreiender Akt – Das Göttlichste im Leben eines Christen

JESUS erzählte bei einer Gelegenheit die Geschichte von einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte (vgl. Mt 18,23-35). Einer dieser Knechte schuldete ihm zehntausend Talente, ein exorbitanter Betrag, von dem man heute sagen würde, dass er eher zu einem Großunternehmen als zu einer Privatperson passte. Da er die Schuld nicht zurückzahlen konnte, ordnete der Herr an, was damals in solchen Fällen üblich war: ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen. Doch da fiel der Knecht vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen. Der Herr des Knechtes hatte Mitleid, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld.

Der Diener hatte lediglich um etws Zeit gebeten, um den geliehenen Betrag zurückzuzahlen. Doch seine Haltung hatte das Herz des Königs gerührt. Und so gewährte ihm dieser mehr als einen Aufschub: Er erließ ihm seine ganze Schuld. Wir können uns vorstellen, wie verblüfft die Leute waren, als sie das Gleichnis hörten. Nun, etwas wie diese Geschichte geschieht in der Realität jedes Mal, wenn wir uns dem Sakrament der Versöhnung nähern. Wenn wir unsere Sünden bekennen und „Gott uns vergibt, dann vergisst er all das Böse, das wir getan haben“, erklärt Papst Franziskus. „Ja: Jemand sagte mal, dass die Vergebung Gottes Krankheit ist: Er hat kein Gedächtnis, er ist in diesen Fällen imstande, sein Gedächtnis zu verlieren. Gott verliert die Erinnerung an die hässlichen Geschichten so vieler Sünder, an unsere Sünden. Er verzeiht uns und setzt seinen Weg fort.“1

Es war für den Knecht praktisch unmöglich, die geliehene Summe zurückzuzahlen. Nur eine Huld wie die des Königs konnte ihn von der Schuld befreien. Auch wir könnten die Schuld, die wir dem Herrn für unsere Sünden schuldig sind, nicht durch Taten begleichen. Nicht nur wegen der Schwere der begangenen Sünden, sondern weil Gott so ist, wie er ist. Doch der Herr gewährt uns seine Vergebung und befreit uns durch die Beichte von allem, was uns von ihm trennen würde. Darin zeigt sich das göttliche Ausmaß seiner Liebe. Die Kirche empfiehlt, dieses Sakrament oft in Anspruch zu nehmen, denn, wie der Katechismus der Kirche lehrt, „ist das regelmäßige Bekenntnis unserer lässlichen Sünden für uns eine Hilfe, unser Gewissen zu bilden, gegen unsere bösen Neigungen anzukämpfen, uns von Christus heilen zu lassen und im geistigen Leben zu wachsen. Wenn wir in diesem Sakrament öfter das Geschenk der Barmherzigkeit Gottes empfangen, wird es uns drängen, selbst barmherzig zu sein wie er.“2


DIE GESCHICHTE, die Jesus erzählt, geht weiter, als der begnadigte Knecht einen Mitknecht trifft, der ihm hundert Denare schuldet. Das ist zwar immer noch eine nennenswerte Summe – drei Monatslöhne –, jedoch im Vergleich zu der ihm erlassenen immensen Schuld ein verschwindend kleiner Betrag. Als der Mann sich ihm zu Füßen wirft und um etwas Zeit bittet, um das Geld aufzutreiben, weigert sich der Diener, ihm einen Aufschub zu gewähren: Er ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis die Schuld beglichen war. Als seine Gefährten dies sahen, waren sie entrüstet und berichteten dem König, was geschehen war. Und als der Herr die Herzlosigkeit seines Untertanen sah, übergab er ihn den Peinigern, bis er die ganze Schuld bezahlt habe (Mt 18,34).

Dem Nächsten zu vergeben, ist ein befreiender Akt, von dem man zuerst einmal selbst profitiert. Hätte dieser Knecht seinem Mitknecht die Schuld erlassen, wäre die Freude doppelt gewesen: für seinen Mitknecht, weil er nichts mehr zurückzahlen hätte müssen, und für ihn selbst, weil er weiterhin seine Freiheit genießen hätte können. Stattdessen fand er sich nun im Gefängnis wieder und hatte eine erdrückende Schuldenlast zu begleichen. Ähnlich befreien wir uns, wenn wir anderen vergeben, möglicherweise von Verbitterung und Hass, die sich in unseren Herzen einnisten können, und werden stattdessen von Frieden und Freude erfüllt, die Gott uns schenkt. Ertragt einander und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat!, empfahl der heilige Paulus. Und der Friede Christi triumphiere in euren Herzen (Kol 3,13.15).

Wir können anderen vergeben, weil Gott uns zuerst vergeben hat. Man könnte es auch umgekehrt formulieren: Gott vergibt uns, weil er sieht, dass wir die gleiche barmherzige Haltung anderen gegenüber haben. Bitten wir den Herrn in dieser Weile des Gebets um die Gnade, „vom ersten Augenblick an“, wie der heilige Josefmaria schrieb, vergeben zu können, im Bewusstsein dessen, dass, „auch wenn der Schaden oder die Beleidigung noch so groß ist, Gott uns mehr vergeben hat“3.


DER HEILIGE JOSEFMARIA betonte einst, dass das Göttlichste im Leben eines Christen darin besteht, denen zu vergeben, die ihm Unrecht getan haben. Gott selbst wurde Mensch, um die Sünden aller Menschen zu vergeben. Daher konnte der heilige Johannes Chrysostomus sagen, dass „nichts uns Gott so ähnlich macht, als wenn wir uns gegen die Bösen und Missetäter versöhnlich zeigen“4.

Zumeist drehen sich Situationen, die eine Vergebung verlangen, um kleine, alltägliche Konflikte: eine unangemessene Reaktion, ein unpassender Witz, ein Missverständnis, ein vergessener Termin und so weiter. Vielleicht ist gelegentlich nicht klar, wer den ersten Schritt zur Versöhnung unternehmen sollte. In anderen Fällen hingegen besteht diesbezüglich kein Zweifel. Wie auch immer die Lage ist, der Prälat des Opus Dei legt uns nahe, zu überlegen, dass „eine aufrichtige Geste der Bitte um Vergebung oftmals der einzige Weg ist, um die Harmonie der Beziehungen wiederherzustellen, auch wenn wir – mehr oder weniger zu Recht – denken, wir seien der Teil gewesen, der mehr beleidigt worden ist.“5

Einer der letzten Sätze, die der Herr vor seinem Tod sprach, war die Bitte an den Vater um Vergebung für diejenigen, die ihn gekreuzigt hatten. Und wir können uns vorstellen, dass seine Mutter Maria, als sie diese Worte hörte, ihre Bereitschaft zur Vergebung ebenfalls auf diese Menschen erweiterte. Der heilige Josefmaria schreibt einfühlsam über unsere Mutter: „Der Schmerz in ihrem Herzens muss sehr tief gewesen sein, als sie den Ausbruch kollektiver Raserei bei Jesu Leiden und Tod miterlebte. Doch Maria sagte kein Wort. Sie liebte, schwieg und vergab, genauso wie ihr Sohn. Das ist die Kraft der Liebe.“6


1 Franziskus, Tagesmeditation, 17.3.2020.

2 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1458.

3 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 452.

4 Hl. Johannes Chrysostomus, Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus, Homilie 19, Nr. 7.

5 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 16.2.2023, Nr. 8.

6 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 237.