Betrachtungstext: 4. Osterwoche – Freitag

Mit dem Blick auf den Himmel gerichtet – Das ewige Leben trennt uns nicht von der Welt – Jesus ist der Weg

EUER HERZ lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich (Joh 14,1), so sprach Jesus beim Letztem Abendmahl. Der Herr musste jene, die ihm drei Jahre lang gefolgt waren, auf schmerzliche Ereignisse einstimmen: auf den Verrat durch einen seiner engsten Freunde und die Verleugnung durch Petrus. Es kamen schwere Momente auf die Jünger zu, doch Jesus wollte nicht, dass sie dabei verzagen. Angesichts der bevorstehenden Bedrängnisse gab der Herr den Seinen den Rat, den Blick auf den Himmel zu richten. Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? (Joh 14,2)

Wir gehen auf den Himmel zu, er ist unser Ziel. Sicherlich lieben wir diese Welt, die aus den Händen Gottes hervorgegangen ist, und freuen uns herzlich über die vielen schönen Dinge, die wir in ihr finden. Wir wissen uns schon auf Erden vom Herrn geliebt, und das erfüllt uns mit Glück. Doch was wäre dieses Glück ohne die Gewissheit der endgültigen Freude? Papst Benedikt unterstrich dies und nuancierte zugleich: „Allein der Glaube an das ewige Leben lässt uns die Geschichte und die Gegenwart wirklich lieben, jedoch ohne ihnen verhaftet zu bleiben, in der Freiheit des Pilgers, der die Erde liebt, dessen Herz im Himmel verankert ist.“1

Mit der Hoffnung auf den Himmel vor Augen können wir alles, was uns widerfährt, das Angenehme und das Unangenehme, richtig bewerten. Der heilige Josefmaria unterstrich: „Ich bin glücklich in der Gewissheit, dass wir den Himmel erlangen werden, wenn wir treu bleiben bis ans Ende, und dass uns die Seligkeit zuteil werden wird, quoniam bonus, weil Gott gut ist und grenzenlos sein Erbarmen.“2 Das ewige Leben ist der Preis, der nicht enttäuscht. Wir werden mit Gott und vielen Menschen innig vereint sein. Alle unsere Anstrengungen werden sich gelohnt haben. Die heilige Theresia von Avila ermuntert in diesem Sinn, standhaft zu bleiben: „Viel, ja alles ist an dem festen und unerschütterlichen Vorsatze gelegen, nicht abzulassen, bis das Ziel erreicht ist. Mag kommen und geschehen, was da wolle; mag die Mühe noch so groß sein; mag murren, wer da will.“3


WIE WIRD der Himmel sein? Worin besteht die Ewigkeit? Wie werden wir diese unendliche Liebe erleben, ohne zu erschlaffen? Wir wissen aus dem Glauben, dass wir dort das vollkommene Glück erlangen werden, die erhoffte Glückseligkeit, ohne dass wir begreifen, auf welche Weise dies geschehen soll. Um Licht in diese Frage zu bringen, schrieb Papst Benedikt: „Das Wort ,ewiges Leben‘ versucht, diesem unbekannt Bekannten einen Namen zu geben. Es ist notwendigerweise ein irritierendes, ein ungenügendes Wort. Denn bei ,ewig‘ denken wir an Endlosigkeit, und die schreckt uns; bei Leben denken wir an das von uns erfahrene Leben, das wir lieben und nicht verlieren möchten, und das uns doch zugleich immer wieder mehr Mühsal als Erfüllung ist, so dass wir es einerseits wünschen und es zugleich doch nicht wollen. Wir können nur versuchen, aus der Zeitlichkeit, in der wir gefangen sind, herauszudenken und zu ahnen, dass Ewigkeit nicht eine immer weitergehende Abfolge von Kalendertagen ist, sondern etwas wie der erfüllte Augenblick, in dem uns das Ganze umfängt und wir das Ganze umfangen. Es wäre der Augenblick des Eintauchens in den Ozean der unendlichen Liebe, in dem es keine Zeit, kein Vor- und Nachher mehr gibt. Wir können nur versuchen zu denken, dass dieser Augenblick das Leben im vollen Sinn ist, immer neues Eintauchen in die Weite des Seins, indem wir einfach von der Freude überwältigt werden.“4

Wir können sicher sein, dass unsere Erwartungen weit übertroffen werden, wenn der Herr uns vor sein Angesicht ruft. Er ist es ja, der uns den Platz bereitet (vgl. Joh 14,2). Zugleich trennt uns der Gedanke an den Himmel nicht von den Dingen dieser Welt. Im Gegenteil. Durch unsere tägliche Hingabe an die anderen, oft in scheinbar unbedeutenden Kleinigkeiten, bereiten wir unser Herz auf den Empfang jenes Glücks vor, das sich über uns ausgießen wird. „Deshalb trennt mich die Hoffnung nicht von den Dingen dieser Erde“, sagte der heilige Josefmaria, „sondern führt mich auf eine neue, christliche Weise in sie hinein.“5


WENN ICH gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe – den Weg dorthin kennt ihr (Joh 14,3-4).Den Aposteln fiel es nicht leicht, zu verstehen, was der Herr ihnen in jener Nacht mitteilen wollte. Thomas äußerte unverblümt seine Verwirrung: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst, Wie können wir dann den Weg kennen? (Joh 14,5). Jesus antwortete: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich (Joh 14,6).

Auf unserem Weg zum ewigen Leben finden wir beim Herrn stets Orientierung. Auf ihn können wir vertrauen: „Habt keine Angst“, schrieb der heilige Johannes Paul II., „Christus weiß, ,was im Menschen ist‘. Er allein weiß es! Der Mensch weiß heute oft nicht, was er in sich trägt im Tiefsten seiner Seele und seines Herzens. Darum fühlt er sich oft unsicher über den Sinn seines Lebens auf dieser Erde. Lasst darum Christus (...) zu den Menschen sprechen.“6 Wenn Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, können wir alles, was in unserem Leben geschieht, im Licht seiner Person zu lesen versuchen. Dabei wird uns ein eifriges Studium der Evangelien eine große Hilfe sein, wie der heilige Josefmaria empfiehlt: „Der Herr hat uns Katholiken dazu berufen, ihm nahe zu folgen. Im heiligen Text des Evangeliums findest du das Leben Jesu – aber auch dein eigenes Leben sollst du dort finden.“7 Viele Heilige haben den Schlüssel zum Verständnis dessen, was ihnen widerfuhr, bei der Lektüre eines Abschnitts des Evangeliums gefunden. Dort werden wir der Stimme Jesu begegnen und somit unseren Wunsch erneuern, mit ihm in den Himmel zu gelangen.

Bitten wir unsere Mutter mit Worten des heiligen Vaters, uns zu helfen, „das Evangelium des Lebens, das den Tod besiegt, zu allen Menschen zu bringen. Auf ihre Fürsprache möge uns der heilige Freimut erfüllen, mit dem wir neue Wege suchen, damit das Geschenk der Erlösung zu allen gelange.“8


1 Benedikt XVI., Angelusgebet, 1.11.2012.

2 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 208.

3 Hl. Theresia von Avila, Weg der Vollkommenheit, Kapitel 21, 2.

4 Benedikt XVI., Spe Salvi, Nr. 12.

5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 208.

6 Hl. Johannes Paul II, Christfideles Laici, 34.

7 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 754.

8 Franziskus, Botschaft, 4.6.2017.