Betrachtungstext: 7. Woche im Jahreskreis - Mittwoch

In Gemeinschaft mit anderen leben – Zu schätzen wissen, was uns mit anderen Menschen verbindet – Die Vielfalt ist Ausdruck der göttlichen Vollkommenheit

DEN JÜNGERN fällt es immer noch schwer, Jesus zu verstehen, vor allem wenn er von seinem Leiden und Sterben spricht, das ihn erwartet. Sie sind immer noch voller menschlicher Visionen. Zweifellos lieben sie Christus, aber noch nicht bedingungslos, sie projizieren ihre irdischen Erwartungen auf ihn. Aber es ist unbestreitbar, dass sie immer aufrichtig sind, ihre Haltung ist die eines Lernwilligen. Sie erzählen dem Herrn in aller Einfachheit und Klarheit alles, was sie denken, alles, worüber sie sich in ihrem Herzen wundern; sie erzählen ihm, was sie unter sich besprechen und berichten ihm von ihren apostolischen Wanderungen. Einmal sagte Johannes zu ihm:Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden (Mk 9,38-39).

Wir können uns die Geduld des Herrn bei der Durchführung dieser Richtigstellung vorstellen. Vielleicht war er sogar ein wenig amüsiert über diese ersten Schritte derer, die er zu Aposteln erwählt hatte. Die Jünger handelten mit guten Absichten, aber es fehlte ihnen noch an einem besseren Verständnis der Dinge aus der Sicht Gottes. Sie sahen die Realität immer noch auf sehr einfache Weise, sozusagen in Schwarz und Weiß. Jesus hingegen wies sie darauf hin, dass die Wirklichkeit viel bunter war und dass der Mann, der in seinem Namen Gutes tat, Christus nicht so fremd war, wie es den Anschein hatte. Wie großartig ist es, eine Seele zu verstehen1, rief die heilige Teresia von Jesus aus. Jeder, der Gutes tun will, verdient unseren feinen Respekt, unser Interesse, unser Mitgefühl und unsere Zuneigung. Weil wir als Ebenbilder Gottes geschaffen sind, kommentiert Papst Franziskus, der Gemeinschaft und Mitteilung seiner selbst ist, tragen wir immer ein gewisses Heimweh nach einem Leben in Gemeinschaft und nach Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft im Herzen. »Denn nichts ist unserer Natur so eigentümlich wie dieses, dass wir gesellig miteinander leben und einander bedürfen«, sagt der heilige Basilius2.

DER HEILIGE Augustinus schrieb, dass man in der katholischen Kirche das finden kann, was nicht katholisch ist, und dass es auch außerhalb der katholischen [Kirche] etwas Katholisches geben kann3. Jede Manifestation des Guten in der Welt ist ein Grund zur Freude für diejenigen, die die Quelle von allem Guten lieben. Die Haltung der Jünger Jesu ist sehr menschlich, weit verbreitet, und wir können sie in den christlichen Gemeinschaften aller Zeiten antreffen, wahrscheinlich auch in uns selbst. In gutem Glauben, mehr noch: voller Eifer möchte man die Authentizität einer bestimmten Erfahrung schützen. (...) so gelingt es einem [aber] nicht, das Gute zu schätzen, das andere tun4.

Der heilige Josefmaria sagte zu einem Menschen, der in einer Gegend mit wenigen Katholiken lebte: In deinem Land gibt es viele, die keine Christen sind, aber wegen ihrer Rechtschaffenheit und ihrer Güte in irgendeiner Weise zur Kirche gehören. Ich bin sicher, wenn sie wüssten, was der katholische Glaube ist, würden sie Katholiken werden wollen (...). Wir gehören zum Leib der Kirche: Wir sind ein Teil dieses großartigen Leibes. Und sie haben, wenn sie das Naturgesetz erfüllen, gleichsam eine BegierdeTaufe5.

Der Gemeinschaftssinn führt uns dazu, uns auf das zu konzentrieren, was uns mit anderen verbindet, und nicht auf das, was uns trennt. Jesus lädt seine Jünger ein, nicht nach den Kategorien »Freund / Feind«, »wir / sie«, »wer drinnen ist / wer draußen ist«, »mein / dein« zu denken, sondern darüber hinauszugehen, das Herz zu öffnen, um seine Anwesenheit und das Wirken Gottes auch in ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Bereichen und bei Menschen zu erkennen, die nicht zu unserem Kreis gehören. Es geht darum, der Echtheit des Guten, des Schönen und des Wahren, das erreicht wird, mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem Namen und der Herkunft derjenigen, die es tun6.

IN DER NATÜRLICHEN Ordnung hat Gott eine unermessliche Vielzahl von Engeln, viele Galaxien und Planeten, unzählige Arten von Tieren, Pflanzen und Mineralien geschaffen. Es ist nicht verwunderlich, dass der Heilige Geist in der übernatürlichen Ordnung im Laufe der Jahrhunderte unzählige Charismen hervorgebracht hat, die seine Kirche auf wunderbare Weise bereichern. Es ist klar, dass der Herr die Pluralität liebt, wahrscheinlich weil diese unzähligen Charismen, wie die materiellen Geschöpfe in gewisser Weise, seine unendliche Vollkommenheit in einer Vielfalt von Licht widerspiegeln.

Als Ebenbild Gottes sollte jeder von uns Christen den Pluralismus und die Vielfalt enthusiastisch lieben. Wie in einer großen Familie freuen wir uns und sind stolz auf die Früchte der Heiligkeit so vieler und so unterschiedlicher Institutionen, die eine breite und tiefe Furche in der Geschichte der Kirche hinterlassen und auch die Gesellschaft, in der wir leben, in vielerlei Hinsicht geprägt haben. All die Arbeit, die diese kirchlichen Realitäten geleistet haben und weiterhin leisten, wie auch die Arbeit anderer, ist zweifellos ein Geschenk Gottes an die Welt. Deshalb riet der heilige Josefmaria: Freue dich zu sehen, daß andere in guten apostolischen Werken arbeiten. ‒ Bitte für sie um Gottes reiche Gnade und darum, daß sie dieser Gnade entsprechen7.

Wir können Maria bitten, uns zu helfen, immer offen zu sein für den weiten Horizont des Wirkens des Heiligen Geistes, damit wir fähig sind, uns gegenseitig wertzuschätzen und zu achten und dabei den Herrn für die unendliche »Phantasie« zu preisen, mit der er in der Kirche und in der Welt wirkt8.


1 Hl.Teresa von Jesus, Buch des Lebens, 23, 17.

2 Papst Franziskus, Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel, 24. Januar 2019.

3 Hl. Augustinus, Über die Taufe gegen die Donatisten, PL 43, VII, 39, 77.

4 Papst Franziskus, Angelus, 30-IX-2018.

5 Hl. Josefmaria, Notizen von einem Familientreffen, 22. Februar 1970.

6 Papst Franziskus, Angelus, 30. September 2018.

7 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 965.

8 Benedikt XVI., Angelus, 30. September 2012.