Betrachtungstext: Hochfest Christi Himmelfahrt (A)

Jesus sendet seine Jünger aus – Er geht in den Himmel, verlässt uns aber nicht – Christus geht uns als unser Haupt voraus

VIERZIG TAGE nach Ostern feiert die Kirche den Aufstieg Jesu in den Himmel. „Der Herr, König der Herrlichkeit, Sieger über Sünde und Tod“, heißt es in der Präfation der Messe, „ist heute in den Himmel aufgefahren. Die Engel schauen den Mittler zwischen Gott und den Menschen.“1

Matthäus berichtet, dass Jesus kurz vor seiner Himmelfahrt zu seinen Jüngern sagte: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe (Mt 28,18-20). Bevor er sich an die rechte Seite seines Vaters begibt, hinterlässt Jesus eine hohe Aufgabe: die Evangelisierung nicht nur des Volkes Israel oder des Römischen Reichs, sondern der ganzen Welt, der ganzen Schöpfung. „Die Aufgabe, die Jesus einer kleinen Gruppe einfacher Männer ohne große intellektuelle Fähigkeiten anvertraut“, kommentiert Papst Franziskus, „scheint wirklich zu gewagt! Und doch wird diese überschaubare und angesichts der Großmächte der Welt unbedeutende Gemeinschaft ausgesandt, um die Botschaft der Liebe und Barmherzigkeit Jesu in jeden Winkel der Erde zu tragen.“2 

Auch wir haben diesen göttlichen Auftrag erhalten, und fühlen den Tag daher so nahe, an dem Jesus in den Himmel aufgefahren ist. Der heilige Josefmaria sagte, dass „das Apostolat wie das Atmen des Christen ist. Ein Kind Gottes kann ohne diesen übernatürlichen Pulsschlag nicht leben. Das heutige Fest erinnert uns daran, dass der Eifer für die Seelen ein liebenswertes Gebot des Herrn ist, der uns bei seiner Himmelfahrt als seine Zeugen in die ganze Welt hinaussendet. Unsere Verantwortung ist groß; denn Zeuge Christi sein erfordert vor allem, nach seiner Lehre zu leben, uns anzustrengen, dass unser Verhalten Christus erkennen lässt und an seine liebenswerte Gestalt erinnert. Wir müssen so leben, dass die Menschen, denen wir begegnen, sagen können: Der ist ein Christ, denn er hasst nicht, er zeigt Verständnis, er ist nicht fanatisch, er hat sich in der Hand, er kann Opfer bringen, er sucht den Frieden, er liebt.3


JESUS ahnt, dass einige seiner Apostel über seinen Weggang in den Himmel betrübt sein würden. Deshalb wollte er vor seiner Himmelfahrt mit ihnen zusammenkommen, um diese Worte des Trostes an sie zu richten: Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20). Papst Benedikt erklärt in seinem Jesusbuch: „Indem er uns verlässt, erhebt er uns über uns selbst und öffnet die Welt für Gott. Deshalb konnten sich die Jünger freuen, als sie aus Bethanien heimkehrten. Im Glauben wissen wir, dass Jesus segnend seine Hände über uns ausstreckt. Dies ist der ständige Grund für die christliche Freude.“4

Das Stundengebet zum heutigen Fest zitiert den heiligen Augustinus, der das Geheimnis folgendermaßen erläuterte: „Er verließ den Himmel nicht, als er von dort zu uns herabstieg. Auch ist er von uns nicht fortgegangen, als er wieder zum Himmel zurückkehrte (...). Er stieg aus Barmherzigkeit vom Himmel herab, er stieg aber nicht allein wieder hinauf, da auch wir mit ihm aufgestiegen sind durch die Gnade.5 Jesus fährt in den Himmel auf, aber er verlässt uns nicht. Über die Nähe Jesu zu jedem von uns sagt Papst Benedikt: „Da Jesus beim Vater ist, ist er nicht fern von uns, sondern nahe bei uns. Jetzt ist er nicht mehr an einem Ort in der Welt, wie vor der Himmelfahrt; mit seiner Macht übersteigt er den ganzen Raum, (...) er ist an der Seite eines jeden gegenwärtig, und jeder kann ihn an jedem Ort und in der ganzen Geschichte anrufen.“6

Jesus steigt zum Vater hinauf und bleibt gleichzeitig bei uns: Mit dem Heiligen Geist wohnt der Herr in unserer Seele im Gnadenstand und  begleitet uns auch sakramental in der Eucharistie. „Auch heute ist es möglich“, schrieb der heilige Josefmaria, „Jesus mit Leib und Seele ganz nahe zu kommen. Christus hat uns deutlich den Weg gewiesen: im Brot und im Wort; in der Nahrung der Eucharistie, im Kennenlernen und Erfüllen seiner Lehre, und indem wir ihn im Gebet aufsuchen.7


WÄHREND SIE unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen (Apg 1,10-11). Das Hochfest der Himmelfahrt entzündet in uns die Hoffnung, an der Herrlichkeit teilzuhaben, die Jesus genießt und zu der wir als Glieder seines Leibes berufen sind. So heißt es in der Präfation der heutigen Messe weiter: „Er kehrt zu dir heim, nicht um uns Menschen zu verlassen, er gibt den Gliedern seines Leibes die Hoffnung, ihm dorthin zu folgen, wohin er als Erster vorausging.8

Dass unsere Hoffnung gut begründet ist, erläuterte Benedikt XVI. bei einem Angelus-Gebet: Diesen ,Auszug‘ hin zur himmlischen Heimat, den Jesus am eigenen Leib erlebt hat, hat er allein für uns auf sich genommen. Für uns ist er vom Himmel herabgestiegen, und für uns fuhr er zu ihm auf, nachdem er dem Menschen, erniedrigt bis zum Tod am Kreuze, ganz gleich geworden war (...). Gott im Menschen, der Mensch in Gott: Das ist nunmehr keine theoretische, sondern eine konkrete Wahrheit. Daher ist die christliche Hoffnung, die in Christus gründet, keine Illusion, sondern, wie der Brief an die Hebräer sagt: In ihr haben wir einen sicheren und festen Anker der Seele (Hebr 6,19), einen Anker, der in den Himmel eindringt, wohin Christus uns vorangegangen ist.“9

Der Herr erwartet uns im Himmel und sendet uns den Heiligen Geist, seine Gaben und seine Früchte, damit wir das Ziel erreichen können. Der Heilige Vater lädt uns ein, uns an der Hand Marias auf das bevorstehende große Fest der Herabkunft des Heiligen Geistes gut vorzubereiten: „Nachdem der Herr in den Himmel aufgefahren war, versammelten sich die Jünger mit der Mutter Jesu im Obergemach zum Gebet (vgl. Apg 1,14) und baten einmütig um den Heiligen Geist, der sie mit seiner Kraft erfüllen sollte, damit sie für den auferstandenen Christus Zeugnis ablegen (vgl. Lk 24,49; Apg1,8). Jede christliche Gemeinschaft macht in diesen Tagen, vereint mit der allerseligsten Jungfrau Maria, von neuem diese einzigartige spirituelle Erfahrung in Vorbereitung auf das Hochfest Pfingsten.“10


1 Römisches Messbuch, Präfation von Christi Himmelfahrt I.

2 Franziskus, Regina Coeli-Gebet, 13.5.2018.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 122.

4 Benedikt XVI. – Joseph Ratzinger, Jesus von Nazareth, II, S. 400.

5 Hl. Augustinus, Predigt über die Himmelfahrt, 1-2; PLS 2, 494-495.

6 Benedikt XVI. – Joseph Ratzinger, Jesus von Nazareth, II, S. 329.

7 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 118.

8 Römisches Messbuch, Präfation von Christi Himmelfahrt I.

9 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 4.5.2008.

10 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 8.5.2005.

Foto: Wolfgang Sauber / Wikimedia Commons