Betrachtungstext: Samstag nach Aschermittwoch

Das Almosen, das aus einem reinen Herzen kommt – Der heilige Matthäus hat alles verlassen und sein Leben hingegeben – Gott und den Nächsten lieben

DIE TAGE nach dem Aschermittwoch haben uns wieder vor Augen geführt, welch hohen Stellenwert das Gebet und damit verbunden auch das Fasten und das Almosengeben haben. Diese Praktiken sind Ausdruck unseres tiefen Verlangens nach Umkehr zu Gott. Der Prophet Jesaja ruft dazu auf, dass wahre Veränderung nur durch eine aufrichtige innere Haltung geschieht, die sich danach in Werken der Barmherzigkeit für unsere Mitmenschen zeigt: Wenn du Unterjochung aus deiner Mitte entfernst, auf keinen mit dem Finger zeigst und niemandem übel nachredest, den Hungrigen stärkst und den Gebeugten satt machst, dann geht im Dunkel dein Licht auf und deine Finsternis wird hell wie der Mittag (Jes 58,9-10).

Deshalb bitten wir Gott um jene Reinheit des Herzens, die es uns ermöglicht, anderen bedingungslos die Hilfe anzubieten, die sie benötigen, und nicht nur das, was wir bereit sind zu geben. Mit den Worten des Psalms beten wir: Lehre mich, Herr, deinen Weg, dass ich ihn gehe in Treue zu dir (Ps 85, 11). Der heilige Josefmaria drückte einmal sein Bedauern darüber aus, dass einige Menschen Almosengeben nur als das Weiterreichen von ein paar Münzen oder alten Kleidern verstehen: „Man könnte meinen, sie hätten das Evangelium nicht gelesen.1 Wahres Almosengeben entspringt jedoch einer inneren Großzügigkeit, einem Akt der Liebe zu unseren Mitmenschen. Jeder Mensch – sei es unsere Familie, unsere Arbeitskollegen, oder diejenigen, die unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen – braucht unser Almosen.

Papst Benedikt erinnert uns daran, dass das gesamte Evangelium in dem Gebot der Liebe zusammengefasst ist und folgert daraus: „Die Praxis des Almosens in der Fastenzeit wird also zu einem Mittel, in unserer christlichen Berufung voranzuschreiten. Wenn der Christ sich hingibt ohne zu zählen, bezeugt er: Nicht der materielle Reichtum diktiert die Gesetze des Lebens, sondern die Liebe. Was dem Almosen seinen Wert gibt, ist je nach den Möglichkeiten und Umständen des Einzelnen die Liebe, die zu verschiedenen Formen der Hingabe inspiriert.2


DER BERICHT von der Berufung des Matthäus erinnert uns heute an etwas, das den Pharisäern und Schriftgelehrten besonders ins Auge stach. Die berufliche Arbeit des künftigen Apostels bedeutete, dass ihm die bescheidene persönliche Macht, die ihm von Rom verliehen wurde, mehr bedeutete als die Traditionen seines Volkes; und dass er sich lieber an materielle Güter band als an das Gesetz Gottes. Als Matthäus in Jesus aber etwas ganz Neues entdeckte, war er bereit, alles zu verlassen und in seine Fußstapfen zu treten. Er gab den Lebensstil auf, den er gewählt hatte, die Sicherheit und das Wohlergehen, die ihm seine Stellung bot, und die persönliche Karriereplanung. Und diese Entscheidung erfüllte ihn mit einem solchen Glück, dass er für Jesus in seinem Haus ein großes Gastmahl gab (Lk 5,29).

Jesus scheint die Apostel nicht unter den Gesetzeslehrern und auch nicht unter den Strenggläubigen gesucht zu haben, sondern er begibt sich vielmehr an den Tisch eines Menschen, der in der damaligen jüdischen Gesellschaft als Sünder galt. Darin zeigt sich einmal mehr das Geheimnis der Barmherzigkeit Gottes. „Die Evangelien stellen uns ein wirkliches Paradox vor Augen“, kommentiert dazu Papst Benedikt: „Wer dem Anschein nach weit von der Heiligkeit entfernt ist, kann sogar vorbildlich werden als Mensch, der bereit ist, die Barmherzigkeit Gottes zu empfangen, und kann deren wunderbare Wirkungen in seinem Leben offenbar machen.3

Wie Matthäus sind auch wir aufgerufen, so Papst Franziskus, „von Barmherzigkeit zu leben, um Werkzeuge der Barmherzigkeit zu sein. (...) Wenn wir spüren, dass wir Vergebung, Trost brauchen, dann lernen wir, barmherzig zu sein gegenüber anderen.“4 Viele Juden im Umfeld des Matthäus hielten sich streng an das Gesetz, fühlten sich jedoch von Gott nicht persönlich angesprochen, was ihre Herzen verhärtete und verhinderte, dass sie sich in einem wahren Almosen hingaben. Der künftige Apostel hingegen verließ all seinen Besitz, um Jesus nachzufolgen, und gab sein ganzes Leben als Almosen für seine Mitmenschen.


BEI DER Beschreibung seiner Berufung legt Matthäus Jesus einige Worte in den Mund, die an die Pharisäer gerichtet waren: Geht und lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! (Mt 9,13; vgl. Hos 6,6). Viele mögen dieses Zitat des Propheten Hosea überhört haben, das aufrechte Handeln Jesu war jedoch unübersehbar: Er tat Gutes, kümmerte sich um die Nöte anderer, heilte Kranke und so weiter. In der Fürsorge Jesu für seine Mitmenschen ist, wie Papst Benedikt XVI. sagte, eine „der Synthesen der gesamten christlichen Botschaft zu uns gelangt: Die wahre Religion besteht in der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Das ist es, was dem Kult und dem Befolgen der Gebote Wert verleiht.“5

Eine Art und Weise, in dieser Fastenzeit Almosen zu geben, könnte darin bestehen, dass wir die Liebe prüfen, mit der wir unsere Taten vollbringen. Die Vorschriften des Volkes Israel zielten darauf ab, die Liebe zu Gott in vielen, ja unzähligen Details im Laufe des Tages zu praktizieren, allerdings endete diese gute Absicht oft in der Erfüllung von Akten, die ihren wahren Sinn nicht erreichten. Diese Fastenzeit kann eine Gelegenheit sein, unseren Wunsch zu stärken, Christus in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen. Der heilige Josefmaria sagte in diesem Sinne: „Wir müssen entschlossen sein, ihm wirklich zu folgen. So wird der Herr sich unser bedienen können, damit wir – ganz in Gott verankert – an allen Wegkreuzungen dieser Welt Salz, Sauerteig und Licht sein können. Sei ganz in Gott – und du wirst die anderen erleuchten, in ihnen einen Geschmack am Ewigen wecken, sie zum Wachsen bringen, sie innerlich verwandeln. Vergiss jedoch nie, dass wir dieses Licht nicht hervorbringen, sondern nur widerspiegeln.6 Wenn wir Maria unser tiefstes Anliegen vortragen, unsere Herzen zu Gott zu bekehren, wird sie bei Gott Fürsprache einlegen, damit wir es verwirklichen können.


1 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 26.

2 Benedikt XVI., Botschaft für die Fastenzeit, 30.10.2007.

3 Benedikt XVI, Audienz, 30.8.2006.

4 Franziskus, Audienz, 14.9.2016.

5 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 8.6.2008.

6 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 250.