Das ganze Leben ist die Messe

Der Prälat des Opus Dei legt ein wertvolles Buch zum Verständnis der Eucharistie im Leben der Christen vor

Die heilige Messe ist der größte Schatz der Kirche. Die Liebe zu ihrer Liturgie ist integraler Bestandteil jedes Christenlebens. Aber kann man lieben, was man nicht kennt? Deshalb ist es gut, wenn Bücher erscheinen, die die Liturgie und ihren Sinngehalt so erläutern, dass der Leser daraus geistlichen Gewinn ziehen kann. Ein solches Buch ist nun im Kölner Adamas-Verlag erschienen. Der Verfasser, Bischof Javier Echevarría, ist seit 1994 Prälat der katholischen Personalprälatur Opus Dei. Im Zentrum seiner Betrachtungen zur Messe steht die Frage, wie die Teilnahme am Heiligen Opfer für das alltägliche Leben wirksam werden kann. „Tut dies zu meinem Gedächtnis. Die heilige Messe im Leben des Christen“ heißt das Buch in der deutschen Übersetzung. Der Titel des spanischen Originals bringt den Gehalt des Buches noch besser zum Ausdruck: Vivir la Santa Misa - Die heilige Messe erleben.

Worum geht es in Echevarrías Buch? Nicht nur soll die Messe ein Teil des Lebens sein, sondern das Leben selbst soll zu einer immer fortwährenden Messe werden. Für diesen Appell, die heilige Messe zum Zent rum des christlichen Lebens und dieses selbst zu einer Messe zu machen, hat Echevarría einen bedeutenden Hauptgewährsmann, aus dessen Schriften und aufgezeichneten Gesprächen er viel und ausgiebig zitiert: Den heiligen Josemaría Escrivá, dem er lange Jahre als Sekretär diente.

Eindrucksvoll zeigt Echevarría auf, wie der Gründer des Opus Dei die Messe zur Mitte seines inneren Lebens machte. Denen, die seine Ratschläge beherzigen wollten, versprach Escrivá: „Dein ganzer Tag wird eine Messe sein (...) Alles wird leichter, wenn die Messe zur Mitte deines inneren Lebens wird.“

Neben Escrivá sind es besonders die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI., die Echevarría zu Wort kommen lässt, aber auch die Kirchenväter finden Berücksichtigung. Die kunstvolle Kombination dieser verschiedenen Zitatquellen macht eine Hauptstärke des Buches in schriftstellerischer Hinsicht aus. Das Buch folgt dem Ablauf der Messe nach der ordentlichen Form des römischen Ritus, kann aber auch von Freunden des alten Usus mit Gewinn gelesen werden; nicht zuletzt, da viele der Ausführungen des heiligen Josemaría Escrivá sich schon aufgrund ihres historischen Datums ursprünglich auf die ältere Form der römischen Liturgie beziehen (so zum Beispiel seine Worte über das Introibo des Stufengebets). Der Reihe nach behandelt Echevarría die Vorbereitung auf die Messe, den Eingangsritus, Wortgottesdienst, Gabenbereitung, Hochgebet, Kommunion und Entlassung.

Sehr gelungen im Abschnitt über die vorbereitenden Riten ist die Würdigung der traditionellen Priestergebete beim Anlegen der Messgewänder, in deren Auslegung Echevarría sich an Ausführungen Benedikts XVI. anschließt. Der Bischof empfiehlt nachdrücklich den Gebrauch dieser (nicht mehr verpflichtend vorgeschriebenen) Gebete. Wer an der heiligen Messe teilnimmt, muss sich bewusst sein, dass er dafür niemals so gut vorbereitet ist wie es wünschenswert wäre. Doch das ist kein Grund zur Verzagtheit - „dem Herrn genügt unser gute Wille“.

Ein bemerkenswertes Plädoyer für intellektuelle und historische Bildung des Gottesvolkes

Echevarría hat, das merkt man im Kapitel über den Wortgottesdienst, auch die Notwendigkeit einer vertieften religiösen Grundbildung im Blick. So sollen die Gläubigen etwa Geschichte und Struktur des Credo kennen. Ein bemerkenswertes Plädoyer für intellektuelle und historische Bildung des Gottesvolkes, die den Glauben stärken soll.

Mit Benedikt XVI. wendet sich Echevarría gegen das Missverständnis der „aktiven Teilnahme“ im Sinne eines rein äußerlichen Agierens. Stattdessen plädiert er für die liebevolle Betrachtung des Mysteriums der Messe, ihrer Riten und Gesten, die auch für das alltägliche Leben fruchtbar werden kann. Einfühlsam und mit wundervoller Klarheit analysiert Echevarría die Texte der Messe und beschreibt ihre äußeren Riten. Keinen Moment gerät aus dem Blick, dass es Christus selbst ist, der in der Messe handelt, und dass jede heilige Messe eine Sache der ganzen Kirche ist. Und er zeigt auf, wie dem äußerlich Vollzogenen etwa den Gesten und Worten der Demut beim Gebet „in spiritu humilitatis“ eine innere Haltung der Gottesdienstteilnehmer entsprechen soll. Es geht darum, die Messe für sich persönlich wirksam werden zu lassen. So sollen wir etwa bei der Elevation der heiligen Gestalten Christus gedanklich an die Spitze aller irdischen und menschlichen Wirklichkeiten stellen. Jedes Detail der Messe hilft uns, uns der Gegenwart Gottes bewusst zu werden. Im Abschnitt über das Hochgebet - in dem das Hauptaugenmerk zu recht auf dem ersten Hochgebet, dem römischen Kanon liegt - warnt Echevarría in aufrüttelnder Dringlichkeit vor der Gefahr, dass man sich je an das Geheimnis der Messe gewöhnen könnte.

Ein Grundgedanke, der das Buch durchzieht, ist der von der Heiligung des Alltags durch seine Aufopferung in der heiligen Messe; erst von hier aus gewinnt alles seinen Sinn. Ein weiteres Leitmotiv ist der apostolische Auftrag der Gläubigen im Zeichen der Neuevangelisierung. Für dieses Engagement aber kann nur die fruchtbare Teilnahme an der Messe die nötige Kraft schenken. „Nehmen wir ohne zu zögern Arbeit und Ausruhen, Krankheit und Gesundheit, Erfolge und Misserfolge, Freuden und Widerwärtigkeiten, die unsere Tage begleiten, im vollen Bewusstsein ihrer Bedeutung mit hinein in die Messe. (...) Holen wir uns im eucharistischen Opfer die Kraft, um den guten Kampf des Friedens und der Liebe zu kämpfen, zu dem wir gerufen sind, um der Gesellschaft das Evangelium Christi zu bringen.“

Aus diesem Erlebnis die Kraft zu schöpfen für eine Neu und Umgestaltung des eigenen Lebens

Die Auslegung des Vaterunsers gehört zu den beeindruckendsten Partien des Buches; das verdankt sie nicht zuletzt den zitierten Äußerungen des heiligen Josemaría Escrivá. Dieser sagte über jenes Gebet der Kinder Gottes: „Da wir uns als Kinder unseres Vaters im Himmel wissen, kann es da in unserem Leben überhaupt eine ernstliche Beunruhigung geben? Selbst psychologisch gesehen ist es gut, unsere Gotteskindschaft zu betrachten.“

Eindringlich warnt Echevarría vor dem Empfang der heiligen Kommunion im unwürdigen Zustand, der angesichts der heute verbreiteten religiösen Unbildung allzu oft vorkommt. Hier müsse taktisch klug, aber entschieden Abhilfe geschaffen werden.

Das Buch Bischofs Echevarrías ist eine Einladung an jeden Christen, den Riten der heiligen Messe aufmerksam und mit Andacht zu folgen, um aus diesem tiefen Erlebnis die Kraft zu schöpfen für eine Neu- und Umgestaltung des eigenen Lebens und der ganzen Gesellschaft gemäß den Prinzipien der christlichen Religion. Folgen wir dieser Einladung und „... setzen wir alles daran, jeden Tag in eine Messe zu verwandeln durch unsere enge Vereinigung mit Christus im heiligen Opfer des Altares“.

 

Javier Echevarría: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Die heilige Messe im Leben der Christen, Köln 2011, Adamas Verlag, ISBN 978-3-937626-15-4, EUR 17,90 

 

von Clemens Schlip / aus Die Tagespost, Würzburg 26.04.2012