Der Anfang aller Geschenke

Eine Betrachtung zum Fest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria von Josef Arquer

Voriges Jahr am Heiligen Abend soll das verwöhnte Kind seinen anerkennungsbedürftigen Eltern beim Auspacken der Geschenke mitgeteilt haben: "Wenn ich nichts sage, ist es gut". Sachlich und satt... Jetzt, auf Weihnachten zu, mag manchen dämmern, dass solch eine Einstellung gegenüber Geschenken gar nicht so ungewöhnlich ist. Manieren erheischen einen höflichen Dank gegenüber dem Schenkenden. Aber auf der höheren Ebene des Umgangs mit Gottes Geschenken an uns mag es manchmal an Gespür für viele verborgene Geschenke Gottes mangeln, die uns wie selbstverständlich in den Schoß fallen. Danken wir auch für sie?

Das Fest der "Unbefleckten Empfängnis" am 8. Dezember verweist auf Maria als die eigentliche adventliche Gestalt. Sie erwartet freudig das größte Geschenk Gottes an die Menschen.

Der Ausdruck "Unbefleckte Empfängnis" verweist darauf. Er klingt sprachlich hölzern, vielleicht auch missverständlich. Denn diese Wahrheit des Glaubens bezieht sich nicht, wie manche - auch sonst Gebildete - meinen, auf irgendwelche erfahrbare Begebenheit bei der Empfängnis und Geburt der Mutter des Herrn.

Sie besagt, dass Maria - anders als wir - in keinem einzigen Augenblick unter der Macht der Sünde - in einer Situation der Gottesferne - gestanden hat. Wir werden durch die Taufe von der Erbschuld befreit; Maria wurde mehr als das: sie wurde vom ersten Augenblick ihrer Existenz an vor der Erbsünde bewahrt. Dies war der Anfang aller Geschenke Gottes an sie.

Maria ist die Sündenlose. Leider ein entleerter Begriff für viele, weil ihnen das Bewusstsein für "Sünde" und "Schuld" abhanden gekommen ist, nachdem sie sich vom persönlichen Gott verabschiedet haben. Heute begegnen uns nicht selten Menschen, die sich leicht für "sündenlos" und "schuldlos" halten können, weil sie sich ja auf die Verhältnisse oder auf die Gesellschaft berufen können.

Maria ist "voll der Gnade". So wie die weiße Farbe alle Farben sammelt, fasst dieser Satz alle geschaffene Schönheit zusammen - und doch erscheint es vielen abstrakt. Nur große Seelen ahnen, was es bedeuten kann, das Ich ganz auf Gott ausgerichtet zu halten, und Eigennutz, Geltungsdrang, Eitelkeit, Ichsucht, Rechthaberei zurückzustellen.

Konkreter werden all diese Ausdrücke, wenn es uns betend gelingt, Maria als jene reale Person zu betrachten, die uns zeigt, wie die Niedrigkeit des Geschöpfes keine Last, sondern Hintergrund für die dankbare Annahme von unverdienten Gaben ist. Hier sind wir der Erfahrung Mariens am nächsten: Es gibt Geschenke - manchmal Sachen, oft Menschen -, die uns innerlich zum Singen bringen. Wir erkennen sie ehrlich als unverdient und sehen uns dann nicht mehr als so "gut" wie sonst. Bei Menschen empfinden wir manchmal so - vielleicht gelingt es uns auch bei Gott. "Danke, Herr, für all deine Wohltaten - auch für die, die ich nicht kenne", betete oft der hl. Josefmaria Escrivá.

Nicht Mangel - "Sündenlosigkeit"- , sondern "Fülle" – Überfluss an Gnade -, steht in der Mitte der Aussage: "Unbefleckte Empfängnis".

Es gehört zur adventlichen Erwartung, Gespür zu haben für alles, was Gott uns schon geschenkt hat. Als erstes Gespür für die Fähigkeit, ihm persönlich in Glaube, Hoffnung und Liebe zu begegnen. Dann auch Gespür dafür, dass der Herr uns durch Begegnung mit geliebten Menschen beschenkt hat. Ebenso hat er uns mit natürlichen Gaben bereichert. Und er hat andere, die uns nahe stehen mit Gaben beschenkt, die uns fehlen. Statt Neid erwächst Freude und Dank daraus.

Im Blick auf Maria verdichtet sich unser umfassender Dank. Mitten in einer von liebloser Konsumfreudigkeit geprägte Gesellschaft danken wir auch dafür, dass der Dank selbst uns frohmacht. Solch ein Danken macht uns nicht sachlich und satt, sondern herzlich und hungrig.