Was feiern Christen, wenn sie Marias Unbefleckter Empfängnis gedenken?

Maria war seit Ihrer Empfängnis im Schoß ihrer Mutter Anna von jeder Erbsünde frei. Das lehrt die Kirche seit Jahrtausenden. Die entsprechende offizielle lehrmäßige Erklärung ist jedoch erst 170 Jahre alt. Was das Fest am 8. Dezember aus diesem Anlass für die Christenheit bedeutet, erläutert Thomas Schauff in einer kurzen Betrachtung:

„Heute, am Hochfest der Unbefleckten Empfängnis feiern wir den Beginn der entscheidenden Etappe in der Geschichte Gottes mit der Menschheit. Ab diesem Augenblick spricht Gott nicht mehr durch Propheten zu uns, sondern er schickt seinen Sohn, die Zweite Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, sein ewiges WORT zu uns. … Was wir an Weihnachten feiern, hat seinen Anfang im Geschehen, das die Kirche heute feiert.

Geradezu triumphalistisch, aber deswegen nicht weniger wahr, sagt der hl. Bonaventura: „Gott hätte sie nicht größer machen können. Gott hätte eine größere Welt schaffen können, einen größeren Himmel, aber keine größere Mutter als Seine Mutter selbst.“[1]

Jedes Geschöpf bringt als Gabe die Dankbarkeit

Ebenso schön ist ein alter Hymnus der Ostkirche, der eine sehr schöne geistliche Erwägung anstellt, indem er sagt: »Was sollen wir dir bringen, Christus, da du für uns als Mensch auf Erden geboren wirst? Jedes der Geschöpfe, die dein Werk sind, bringt dir in der Tat sein Zeugnis der Dankbarkeit: die Engel ihre Liebe; der Himmel den Stern, die Weisen ihre Gaben, die Hirten ihr Staunen; die Erde ihre Höhle; die Wüste die Krippe. Wir Menschen aber bringen dir eine Jungfrau und Mutter.«

Maria ist das Geschenk der Menschen an Christus – das besagt aber zugleich: Vom Menschen will der Herr nicht etwas, sondern ihn selbst. Gott will von uns nicht Prozente, sondern unser Herz, unser Sein.

Maria – die „Mutter des Ja“ Maria, das Mädchen von Nazareth, ist für Papst Benedikt eine der wichtigsten und sympathischsten Gestalten der Heiligen Schrift: Sie steht für „den Neubeginn Gottes in einer vergreisten Welt“ und gibt dem Christentum ein junges und attraktives Gesicht.

Maria steht heute neben ihrem Sohn im Mittelpunkt unserer Meditation. Ihr vertrauen wir all unsere Anliegen an. In aller Aufregung, Not und Sorge dieser Wochen sollen heute mit dem Blick auf Maria die drei ersten entscheidenden Worte des Evangeliums unsere Betrachtung bestimmen:

  • - „Freude“
  • - „Hab´ keine Angst!“
  • - „Mir geschehe nach deinem Wort!“

Der Engel Gabriel sagt: »Freue dich, sei froh!«

Das erste Wort, das wir betrachten, ist der Gruß des Engels an Maria:

„Gegrüßet seist du, Maria“.[2] Aber das ursprüngliche griechische Wort, »χαῖρε (chaire)«, bedeutet eigentlich »Freue dich!«, »Sei froh!«. Und das ist die erste Überraschung, denn der Gruß unter den Juden war »Shalom«, »Frieden«, während der Gruß in der griechischen Welt »chaire«, »Freue dich«, lautete.[3] Es überrascht, dass der Engel, als er Mariens Haus betritt, mit dem Gruß der Griechen grüßt: »χαῖρε«, »Sei froh, freue dich«. Und als die Griechen 40 Jahre später dieses Evangelium lasen, fanden sie darin eine wichtige Botschaft: Sie konnten verstehen, dass mit dem Beginn des Neuen Testaments, auf den sich dieser Abschnitt des Lukas bezog, gleichzeitig eine Öffnung gegenüber der Völkerwelt stattgefunden hatte, gegenüber der Universalität des Volkes Gottes, das jetzt nicht mehr nur das jüdische Volk, sondern die Welt in ihrer Gesamtheit, alle Völker, umfasste. Im griechischen Gruß des Engels wird die neue Universalität des Reiches des wahren Sohnes Davids offenbar.

Es ist das erste Wort des Neuen Testaments

Aber verweilen wir jetzt vor allem beim ersten Wort: »Freue dich, sei froh!« Es ist das erste Wort, das im Neuen Testament als solchem erklingt, denn die Verkündigung der Geburt Johannes’ des Täufers an Zacharias durch den Engel ist ein Wort, das noch an der Schwelle zwischen den beiden Testamenten erklingt. Erst mit diesem Dialog, den der Engel Gabriel mit Maria führt, beginnt das Neue Testament wirklich. Wir können also sagen, dass das erste Wort des Neuen Testaments eine Einladung zur Freude ist: »Freue dich!« Das Neue Testament ist wirklich ein »Evangelium«, die »Gute Nachricht«, die uns Freude bringt. Gott ist uns nicht fern, unbekannt, rätselhaft oder vielleicht gefährlich. Gott ist uns nahe, so nahe, dass er zu einem Kind wird, und wir dürfen »du« zu diesem Gott sagen.

Die wirkliche Zeitenwende beginnt mit Maria

Warum sind wir eigentlich nicht mehr überrascht, warum nehmen wir diese befreiende Freude nicht mehr in ihrer Lebendigkeit wahr. Wie viele unserer Zeitgenossen fragen sich: Ist es gut, ein Mensch zu sein oder nicht? Ist es gut zu leben oder nicht? Ist die Existenz wirklich etwas Gutes? Oder ist vielleicht alles negativ? Ist es nicht sehr traurig, dass viele Menschen Betäubungsmittel nehmen, um in einer dunklen Welt leben zu können? Deshalb ist das Wort: »Freu dich, denn Gott ist mit dir, er ist mit uns« ein Wort, das wirklich eine neue Zeit einleitet. Bitten wir Gott auf die Fürsprache seiner heiligen Mutter, dass wir wieder diese Freude des Evangeliums erleben können.

Das zweite Wort: Fürchte dich nicht, Maria!

Das zweite Wort, das wir betrachten wollen, ist wieder ein Wort des Engels: „Fürchte dich nicht, Maria!«[4] sagt er. Hatte sie nicht wirklich allen Grund, sich zu fürchten, denn die Last der Welt auf den eigenen Schultern zu tragen, die Mutter des Königs der Welt zu sein, die Mutter des Sohnes Gottes zu sein, welch eine Last bedeutete das! Eine Last, die alle menschlichen Kräfte überstieg! Aber der Engel sagt: »Fürchte dich nicht! Ja, du trägst Gott, aber Gott trägt dich. Fürchte dich nicht!« Dieses Wort »Fürchte dich nicht!« ist sicher tief in Mariens Herz eingedrungen. Wir können uns vorstellen, dass die heilige Jungfrau später manchmal an dieses Wort zurückgedacht hat, es von neuem gehört hat. In dem Moment, als Simeon zu ihr sagt: »Dein Sohn wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen« (vgl. Lk 2,34–35), in diesem Moment, in dem die Furcht sie hätte überwältigen können, denkt Maria an die Worte des Engels und hört sie im Innern leise widerhallen: »Fürchte dich nicht, Gott trägt dich!« Und als während seines öffentlichen Lebens der Streit um Jesus entbrennt und viele sagen: »Er ist von Sinnen«, denkt sie wieder: »Fürchte dich nicht!« und setzt ihren Weg fort. Als sie ihm schließlich auf dem Kreuzweg begegnet und dann auf Golgota unter dem Kreuz steht, hört sie, als alles verloren scheint, in ihrem Herzen wieder die Worte des Engels: »Fürchte dich nicht!« Und so steht sie mutig neben dem sterbenden Sohn und geht vom Glauben gestützt auf die Auferstehung, auf Pfingsten, auf die Gründung der neuen Familie der Kirche zu. Bitten wir die Gottesmutter, Maria sag diese Worte auch zu uns: »Fürchte dich nicht!«

Der dritte Satz „Mir geschehe nach deinem Wort“!

Ein drittes Wort wollen wir abschließend betrachten: Am Ende des Gesprächs antwortet Maria dem Engel: »Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast.«[5] Ist das nicht das, was wir Christen alle im Vaterunser beten: »Dein Wille geschehe!« Sie sagt ja zum mächtigen Willen Gottes, einem Willen, der scheinbar zu groß für einen Menschen ist: Maria sagt ja zu diesem göttlichen Willen, sie fügt sich diesem Willen, mit einem allumfassenden „Ja“ stellt sie ihr ganzes Dasein in den Willen Gottes hinein und öffnet Gott so die Tür zur Welt.

Maria sprach zu Gott ein „Ja“, das bei Eva noch ein „Nein“ war

Was Adam und Eva durch ihr „Nein“ zum Willen Gottes falsch gemacht hatten, macht Maria wieder gut. »Gottes Wille geschehe«: Maria lädt uns ein, ebenfalls dieses „Ja“ auszusprechen, das manchmal so schwierig zu sein scheint. Wir sind versucht, unseren eigenen Willen vorzuziehen, aber sie sagt zu uns: »Hab´ Mut, sprich´ auch du: ›Dein Wille geschehe‹, denn dieser Wille ist gut.« Er mag uns anfangs wie eine beinahe unerträgliche Last erscheinen, wie ein Joch, das zu tragen unmöglich ist, aber in Wirklichkeit ist Gottes Wille keine Last, sondern der Wille Gottes verleiht uns Flügel, so dass wir hoch fliegen und es mit Maria auch selbst wagen können, Gott die Tür zu unserem Leben zu öffnen, die Türen zu dieser Welt, indem wir „Ja“ sagen zu seinem Willen, im Bewusstsein, dass dieser Wille das wahre Gut ist und uns zum wahren Glück führt. Bitten wir Maria, die Trösterin, unsere Mutter, die Mutter der Kirche, dass sie uns Mut gebe, dieses „Ja“ auszusprechen, dass sie uns auch die Freude schenke, bei Gott zu sein, und dass sie uns zu seinem Sohn führe, zum wahren Leben. Ein schöner Gedanke des hl. Josefmaria mag unsere Meditation abschließen: „Unsere Liebe Frau: Meisterin der Hingabe ohne Grenzen. - Erinnerst du dich? Auf sie bezog sich jenes rühmende Wort Jesu Christi: "Jeder, der den Willen meines Vaters tut, ist mir Mutter!" Bitte diese gütige Mutter, dass sie dir helfe, in deiner Seele – nach ihrem Vorbild – die Antwort der rückhaltlosen Hingabe zu festigen, die stark wie die Liebe ist und frei macht: „Ecce ancilla Domini! – Ich bin die Magd des Herrn.“[6]

[1] Speculum, Kapitel 8

[2] χαῖρε, κεχαριτωμένη, ὁ κύριος μετὰ σοῦ

[3] Gedanken von Papst Benedikt XVI. ("SANTA MARIA CONSOLATRICE" PREDIGT)

[4] μὴ φοβοῦ, Μαριάμ, εὗρες γὰρ χάριν παρὰ τῷ θεῷ. »

[5] ἰδοὺ ἡ δούλη κυρίου· γένοιτό μοι κατὰ τὸ ῥῆμά σου.

[6] Die Spur des Sämanns 33