Weiten des Kosmos und des Herzens

Josef Arquer zu drei liturgischen Gedenktagen im Juni

Weite in der Natur

In diesen Wochen, da die Sonne in unseren Breiten am Höchsten steht, ist uns der dichterische Schwung des Psalmisten ganz anschaulich, wie er ihren Lauf besingt: „Sie tritt aus ihrem Gemach hervor wie ein Bräutigam; sie frohlockt wie ein Held und läuft ihre Bahn. Am einen Ende des Himmels geht sie auf und läuft bis ans andere Ende; nichts kann sich vor ihrer Glut verbergen“ (Ps 19,6-7).

Joseph Haydn hat diese Verse in seiner „Schöpfung“ herrlich vertont. Und noch strahlender singt sein Chor: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und seiner Hände Werk zeigt an das Firmament“ (vgl. Ps 19, 2). Es ist die helle Sicht des Glaubenden. Wie düster dagegen jene andere Sehweise, etwa eines Jacques Monod, dem der Mensch entfremdet und einsam vorkommt „wie ein Zigeuner am Rande des Universums, das für seine Musik taub und gegen seine Hoffnungen gleichgültig“ ist. Das Unheimliche wird im Licht der Schöpfung zum Geschenk. Das Ungeheure an der Natur mündet in einen Ruf des Staunens und des Dankes: „Sehe ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ (Ps 8, 4-5)

Dieser Wechsel der Ebene ist möglich, weil es im Menschen eine andere Art von Weite gibt, die nicht die räumliche Unermesslichkeit des Weltalls fasst, sondern die innere Tiefe des Geistes. Es ist jene Offenheit, die die klassische aristotelische Sentenz nennt: „Anima est quodammodo omnia“ – die Seele ist gewissermaßen alles; der Geist ist für alles offen, was da ist. Doch stößt diese Weite einmal an die unüberbrückbare Grenze des Transzendenten. Sie führt bis zu der Schwelle des übernatürlichen Glaubens und weckt Sehnsucht. Wer offen bleibt, wird eingeladen „von der Größe und Schönheit der Geschöpfe auf ihren Schöpfer zu schließen“ (vgl. Weish 13,5; Röm 1,20).

Weite in der Liturgie

Paulus deutet eine uns überschreitende Weite an, wenn er die „Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes“ anspricht (Röm 11,33). Im Monat Juni finden wir drei liturgischen Gedenktage von Mysterien vor, die diese Weite entfalten und zur staunenden Anbetung auffordern: Den Dreifaltigkeitssonntag, Fronleichnam und das Herz-Jesu-Fest – die überfließende Lebensfülle im Inneren des Dreifaltigen, die unaussprechliche Gottesnähe in der Eucharistie, die die innige Zuwendung des Menschensohnes. Aus dem gläubigen Staunen erwächst Anbetung.

Die Weite der Dreifaltigkeit hat nichts von einem statischen, in sich geschlossenen Kreis. Sie breitet sich aus, entfaltet sich und erreicht uns. Wir bekennen, dass Gott uns geschaffen, Christus uns erlöst und der Heilige Geist uns geheiligt hat. Unser Bekenntnis bricht sich Bahn in Stoßgebeten des Lobpreises tief aus dem Herzen.

Die Weite der Eucharistie findet an Fronleichnam auch äußerliche Gestalt: Die Schöpfung segnen mit der Monstranz! Der Fronleichnamszug als Aufforderung, den Herrn auch mitten in der Welt zu suchen, anzubeten, weiterzutragen. „Christus geht, in der Hostie verborgen, durch die Straßen und Gassen – wie in seinem Erdenleben – und begegnet allen: denen, die Ihn sehen wollen, und denen, die Ihn nicht suchen. Jesus ist wieder einmal unter den Seinen. Wie stellen wir uns zu diesem Ruf des Meisters?“ (Josemaría Escrivá, Christus begegnen 156)

Die Weite des Herzens Jesu macht dem eigenen Empfinden das unvorstellbare Geheimnis der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus zugänglich – hörbar im Wort Jesu, sichtbar im Blick Jesu, greifbar im Berühren Jesu. Jesus empfindet Zuneigung und Freundschaft, Erbarmen, Mitleid, Sehnsucht, Trauer und Jubel, Angst und Not... Er heilt Kranke, tröstet Trauernde, erweckt Tote zum Leben, besucht Freunde... „Müde von der Reise“ sucht er am Jakobsbrunnen das Gespräch mit der samaritische Frau (vgl Joh 4,1-26).

„Diese Berichte haben schon immer die Herzen der Menschen bewegt, früher wie heute, denn hier zeigt sich nicht nur die aufrichtige Geste eines Menschen, der mit seinesgleichen Mitleid empfindet, sondern vor allem die Offenbarung der unauslotbaren Liebe Gottes. Das Herz Jesu ist das Herz des menschgewordenen Gottes, das Herz des Emmanuel, Gott mit uns. (...) Denn die Liebe Jesu zu den Menschen – es ist gut, wieder einmal daran zu erinnern – ist ein unergründlicher Teil des göttlichen Geheimnisses, der Liebe des Sohnes zum Vater und zum Heiligen Geist. Der Heilige Geist, das Band der Liebe zwischen Vater und Sohn, findet im göttlichen Wort ein menschliches Herz. Es ist nicht möglich, über diese zentralen Geheimnisse unseres Glaubens zu sprechen, ohne die Begrenztheit unseres Verstandes und den Reichtum der Offenbarung gewahr zu werden. Aber fest und demütig glauben wir diese Wahrheiten, auch wenn sie für die staunende Vernunft unfassbar sind: Gestützt auf das Zeugnis Christi wissen wir, dass es so ist; dass die Liebe im Schoß der Dreifaltigkeit sich ausgießt über alle Menschen durch die Liebe des Herzens Jesu.“ (Christus begegnen 169)